Wie unser Bier bleifrei wird

von Redaktion

Prost: Seit dieser Woche ist das neue Schönramer Alkoholfrei auf dem Markt. © Privat

Der Schönramer-Braumeister Markus Kampf schöpft am Gärbottich die Kräusendecke ab. © sco

Schönram/Petting – Als junger Brauer hätte Markus Kampf nie gedacht, dass alkoholfreies Bier mal sein Steckenpferd sein würde. Aber inzwischen hat Augustiner eins. Das Brauhaus Tegernsee ebenso. Und jetzt auch die Landbrauerei Schönram aus Petting im Kreis Traunstein, wo Kampf Braumeister ist. Der Hype ist ungebrochen, seit Jahren legt die Nachfrage zu. Bevor Kampf nach Petting kam, entwickelte er als Projektleiter schon das Alkoholfreie für Schneider Weisse sowie die Brauerei Hutthurm bei Passau. Ein Jahr lang hat der 49-Jährige jetzt am „Schönramer Alkoholfrei“ getüftelt. Süffig wie das helle „Lohn- und Brotbier“ der Brauerei sollte es sein, filtriert, schlank, mit leichtem Hopfencharakter. 1000 Hektoliter sind abgefüllt.

„Man muss sich vorab entscheiden, in welche Richtung man geschmacklich will und was zum Betrieb passt“, sagt Kampf zum technischen Verfahren. „Immerhin gibt es zwei grundlegend verschiedene Varianten, alkoholfreies Bier herzustellen. Bei der einen wird die Gärung gestoppt, bei der anderen der Alkohol nachträglich entfernt.“ Die Gretchenfrage unter Brauern. Und seit Kurzem stehen genau genommen sogar zweieinhalb Varianten zur Wahl.

Gestoppte Gärung als Durchbruch

Für Variante 1, der „gestoppten Gärung“, wird die Bierwürze wie gewohnt mit Hefe versetzt. Diese beginnt, den Zucker in Alkohol umzuwandeln. Der Gärprozess wird genau überwacht, damit die gesetzlich vorgegebene Grenze von kleiner 0,5 Volumenprozent Alkohol nicht überschritten wird. Um die Hefe abzutöten und so die Gärung noch rechtzeitig zu stoppen, wird die Würze kurz stark erhitzt und dann abfiltriert oder zentrifugiert. Da nicht der gesamte Zucker vergoren wurde, bleibt ein süßlicher Geschmack. Zum Ausgleich wird oft eine Kalthopfung durchgeführt. Insgesamt trägt Variante 1 kalorisch also mehr auf.

Erdinger etwa setzt auf Variante 1, ebenso Clausthaler. Die Frankfurter waren es auch, die 1979 das erste alkoholfreie Bier nach Reinheitsgebot auf den Markt brachten – per gestoppter Gärung als Patent. Seit gut 30 Jahren arbeiten Brauer auch schon mit Variante 2: Unter Vakuum wird fertigvergorenem Bier dabei bei etwa 35 Grad der Alkohol entzogen. Die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan etwa arbeitet mit der „Fallstrom-Verdampfung“.

So wird Alkohol nachträglich entzogen

Bei der Entalkoholisierung werden unweigerlich auch Aromastoffe entfernt, die zum typisch vollmundigen Biergeschmack beitragen. Denn Alkohol ist – wie Fett beim Kochen – ein starker Geschmacksträger. Damit entalkoholisierte Biere nicht leer schmecken, wird in der Praxis oft ein Verschnitt mit „Original-Bier“ hergestellt. Mit einem neuen Sonderweg hat Augustiner 2024 mit seiner ersten Sortimentsänderung seit fast vier Jahrzehnten den „Bleifrei“-Markt revolutioniert. Bei Variante 3 wird zwar ebenfalls nachträglich Alkohol entzogen – aber nicht mehr per Holzhammer, wenn man so will.

Brauen ist Wissenschaft – und auch ein bisserl Magie. Und Schönramer hat sich die Augustiner-Kreation zum Vorbild genommen. Eine solche Technik kommt etwa auch bei der Aufbereitung von Salz- in Trinkwasser zum Einsatz. „Die sogenannte Umkehrosmose mittels Membran muss man sich wie eine Dialyse vorstellen“, sagt Kampf. „Das fertig vergorene Vollbier wird durch eine hauchdünne Membran gepresst. Der Alkohol wird bei niedriger Temperatur von zehn Grad durch diese zusätzliche Filterschicht rein partiell entfernt, sodass Aromastoffe erhalten werden.“ Für „bierigeren“ Geschmack sorgt im Schönramer Fall zum Schluss der Verschnitt mit eigenem Leichtbier.

Magische Membran als Neuheit

„Unser Alkoholfreies hat 0,4 Volumenprozent Alkohol. Den gesetzlich vorgegeben Rahmen von 0,5 nahezu auszuschöpfen ist wichtig, jedes Zehntelprozent bringt Geschmack“, sagt Kampf. Nur wo 0,0 draufsteht, ist übrigens auch null Alkohol drin. „In der Natur ist das ja selten. Traubensaft hat unter 0,7, Sauerteigbrot mindestens 0,7 und eine braune Banane bis zu einem Volumenprozent.“

Heute stuft die Deutsche Gesellschaft für Ernährung jede Alkoholmenge als Gesundheitsrisiko ein. Darauf blicken Brauer und Winzer mit Argwohn – die Branche ächzt ohnehin. Am meisten Bier wurde laut Bayerischem Brauerbund 1976 getrunken: pro Kopf 151 Liter. 2024 nur mehr 88. Das hat mehrere Gründe: Anhänger der alltäglichen Brotzeithalbe sterben aus, weniger wachsen nach. Jüngere scheinen neuen Idealen verpflichtet – dem Sixpack aus dem Fitnessstudio anstelle des Bierbäuchleins.

„Alkoholfreies Bier wird die Abwanderungen nicht auffangen“, sagt Kampf. Aktuelle Zahlen des Brauerbunds geben ihm Recht: Lediglich 17 Prozent der Verluste an alkoholhaltigem Gesamtbierabsatz werden durch Zuwächse an alkoholfreiem Bier ausgeglichen. „Aber der Trend ist eindeutig da. Gerade hält alkoholfreies Bier einen Marktanteil von zehn Prozent, künftig vielleicht 20 oder 25. Es wäre als Brauerei fatal, ein Viertel des Marktes nicht bedienen zu können.“ Einen mittleren sechsstelligen Betrag investiert Schönramer also in die Anlage mit der magischen Membran. Ermutigt vom Hype, den Augustiner zuletzt losgetreten hat. „Es gibt schon viele Produkte“, sagt Kampf. „Aber jetzt ist noch die Zeit, den Fuß in die Tür zu kriegen.“

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