Schmuggler im Fokus: Die Bundespolizei kontrolliert verstärkt. © NEWS5 / Stephan Fricke (2)
Illegale Pyrotechnik: Gefährliche Funde bei Überprüfung an der tschechischen Grenze.
Spektakel am Himmel, Stress am Boden: Viele lieben das Böllern wie hier im Kreis Ebersberg. Gegner warnen vor Gefahren für Menschen, Tiere und Natur. © Weber/pa
München – Je näher Silvester rückt, desto lauter wird nicht nur das Knallen, sondern auch die Debatte. Zwischen Tradition, Sicherheitsbedenken und Umweltfolgen prallen die Positionen aufeinander. Polizei, Ärzte und Umweltverbände sehen große Gefahren, während sich Millionen Deutsche mit Raketen, Batterien und Böllern eindecken, denn heute startet der Verkauf.
Besonders im Fokus stehen derzeit die Grenzen. An der bayerisch-tschechischen Grenze kontrollierte die Bundespolizei über die Feiertage verstärkt. Nahe Furth im Wald (Landkreis Cham) stellten Beamte rund acht Kilogramm illegales Feuerwerk sicher. In Zügen aus Prag wurden Männer mit Feuerwerkskörpern der Kategorien F3 und F4 erwischt, diese sind in Deutschland nur mit Erlaubnis zulässig. Gegen mehrere Beschuldigte laufen Ermittlungen wegen Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz.
„Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“, sagt ein Bundespolizist. Die besonders lauten und explosiven Böller seien hochgefährlich: „Teilweise explodieren sie schon in den Händen.“ Nach dem vergangenen Silvester war in Deutschland die Diskussion über ein Böllerverbot wegen schwerer Vorfälle mit sogenannten Kugelbomben neu entfacht worden. Sie sind wegen ihrer hohen Explosionskraft hierzulande nicht für den Allgemeingebrauch zugelassen. Rund um den Jahreswechsel starben fünf Männer bei Böller-Unfällen. Es hatte zudem Angriffe auf Einsatzkräfte gegeben. Die Innenminister von Bund und Ländern konnten sich zuletzt aber nicht auf ein Verbot von privatem Feuerwerk einigen.
Auch die Gewerkschaft der Polizei warnt. GdP-Chef Jochen Kopelke spricht von zunehmendem Übermut: Legale Böller würden unsachgemäß genutzt, illegale gezielt eingeschmuggelt. Die Kontrollen seien auf dem Höchststand, doch der Onlinehandel wachse. Die GdP fordert mehr Verbotszonen in Städten, um Einsatzkräfte besser zu schützen.
Grundsätzlich dürfen Privatpersonen in Deutschland nur am 31. Dezember und 1. Januar Feuerwerk zünden. Verboten ist es unter anderem in der Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Altenheimen sowie brandgefährdeten Gebäuden. Viele Städte richten sogar feuerwerksfreie Zonen ein.
In Bayern variieren die Regeln stark. München weist große Sperrzonen aus, in Freising sind Feuerwerkskörper in der gesamten Innenstadt verboten, Wolfratshausen weitet die Verbotszonen ab diesem Jahr weiter aus. In Starnberg gibt es heuer zum ersten Mal ein Böllerverbot rund ums Tierheim, die Gemeinde Neubiberg (Landkreis München) empfiehlt, aus Sicherheitsgründen ganz auf privates Feuerwerk zu verzichten.
Im schwäbischen Dinkelscherben (Landkreis Augsburg) setzt ein Projekt auf ein zentrales Profifeuerwerk, das als Alternative zur privaten Böllerei angeboten wird. „Es gibt bei einem zentralen Feuerwerk nur Vorteile“, sagt Initiatorin Maja Rittel. Das Kleinwalsertal in Österreich geht noch weiter: Dort gilt seit Jahren ein komplettes Feuerwerksverbot, ersetzt durch große Silvesterpartys.
Das Umweltbundesamt verweist auf die Belastung der Luft: Rund 2050 Tonnen Feinstaub entstehen jedes Jahr durch Silvesterfeuerwerk. Am Neujahrstag sei die Luftbelastung mit gesundheitsgefährdendem Feinstaub vielerorts so hoch wie sonst im ganzen Jahr nicht. Hinzu komme tonnenweise Müll.
Deutlicher wird die Deutsche Umwelthilfe. Sie fordert ein bundesweites Böllerverbot und warnt vor einer „Horrornacht von beispiellosem Ausmaß“. Die Städte verwandelten sich regelmäßig in „kriegsähnliche Zonen“ mit brennenden Balkonen, toxischer Luft und überlasteter Feuerwehr.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, fordert ein Ende der privaten Knallerei: „Niemand hat etwas gegen organisierte Feuerwerke, doch die wilde Böllerei muss untersagt werden.“ Jedes Jahr erlitten zahlreiche Menschen Verletzungen durch explodierende Feuerwerkskörper. Kinder und Jugendliche seien häufig von Knalltraumata betroffen. Hinzu kämen Augenverletzungen und Verbrennungen. „Das sorgt für volle Notaufnahmen in den Kliniken und kostet die gesetzliche Krankenversicherung Millionen.“
Der Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk (bvpk) wies Reinhardts Verbotsforderung gestern als „sachfern“ zurück. Stattdessen müsse die „Politik ansetzen und für den Vollzug der bestehenden Gesetze sorgen“.TINA SCHNEIDER-RADING