„Wir müssen umdenken“

von Redaktion

Alpenverein reagiert mit Leitfaden auf Klimawandel: Weniger Komfort auf den Hütten

Skitourengeher vor dem Schneibsteinhaus in den Berchtesgadener Alpen. © DAV/Listl

In den Bergen herrscht Hochbetrieb. Doch der Klimawandel verändert sie drastisch: Gletscher schmelzen, Böden weichen auf, das Wasser wird knapp. Das beschäftigt den Deutschen Alpenverein, der mit 1,6 Millionen Mitgliedern der weltgrößte Bergsportverein ist. Mit einem Leitfaden will er die Schutzhütten an die neuen Bedingungen anpassen – und den Wanderern statt mehr Komfort umweltfreundliche Unterkünfte bieten, wie Sebastian Magin von der DAV-Geschäftsführung erklärt.

Die Mitgliederzahlen des DAV steigen beständig. Halten die Berge noch mehr Menschen aus?

Viele haben das Bedürfnis, sich in ihrer freien Zeit von Hektik und digitalen Medien zu entkoppeln, mal in die Ferne zu schauen, statt nur auf ein viereckiges Gerät. Die Berge sind dafür ein idealer Ort. Einzelne Hotspots in den Alpen sind zwar überlaufen, aber das ist unter Umweltgesichtspunkten nicht das Kernproblem – auch wenn es für Anwohner natürlich eine Belastung sein kann. Grundsätzlich ist in den Bergen genug Platz. Probleme bereiten jedoch die Themen Mobilität und Energie: Die meisten Emissionen entstehen bei der Anreise mit dem Auto. Und die Energieversorgung der Hütten greift zum Teil auf Ressourcen zurück, die aufgrund des Klimawandels verschwinden – Stichwort Gletscherschmelze. Deshalb hat der DAV zusammen mit dem Österreichischen und dem Südtiroler Alpenverein einen Leitfaden „Wegweiser Hütten 2030“ beschlossen.

Wege werden nur erhalten, wenn der Aufwand im Verhältnis steht, Hütten sollen einfach gehalten und nicht weiter ausgebaut werden. Was ist das Ziel?

Wir wollen ein neues Leitbild für den Betrieb unserer 325 bewirtschafteten Hütten geben. Die Leute sehen, was wir tun – da wollen wir Vorbild sein. Zum anderen müssen wir schon aus existenziellen Gründen umdenken: Viele unserer Hütten beziehen ihren Strom aus Wasserkraft. Durch den Klimawandel ist aber der Wasserhaushalt im Gebirge gefährdet. Wir müssen also den Strom- und Wasserverbrauch drastisch reduzieren, Energie anders und umweltfreundlich gewinnen, Wasser sammeln und das wenige Wasser nicht für Duschen oder Klospülung verschwenden. Wir wollen keinen Ausbau der Bettenkapazität und wir brauchen auch keine umfangreichen Speisekarten, sondern lieber klimafreundliche Verpflegung mit regionalen Zutaten und weniger Fleisch.

Die Hütten gehören den über 350 Sektion des Alpenvereins. Sie erhalten die Gebäude auch mit den Einnahmen für Übernachtungen. Die Hüttenwirte holen ihr Einkommen aus der Gastronomie. Sind die vom Leitfaden alle begeistert?

Den Leitfaden haben wir mit 87 Prozent Zustimmung beschlossen. Auf der anderen Seite sehen wir mit Sorge, dass manche Sektionen bei Hüttensanierungen in Dimensionen planen, bei denen jetzt schon absehbar ist, dass der Wasserverbrauch in Zukunft nicht gedeckt werden kann. Wir können als Bundesverband wenig eingreifen, wir müssen Überzeugungsarbeit leisten. Bei den Hüttenwirten können wir manches über die Pachtverträge regeln. Und wer sich fit macht für unser Umweltgütesiegel, bekommt einen Zuschuss.

Bergsteiger waren in den letzten Jahren das Gegenteil von Einfachheit gewohnt: Drei-Gänge-Menü, Zweibettzimmer, warme Dusche. Sind die Menschen bereit für den Verzicht?

Das ist wahrscheinlich erst mal schwierig. Wir sind als Gesellschaft im Konsum aufgewachsen. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs gab es ein ständiges Wachstum und kaum Grenzen. Wir sind es gewohnt, alles machen zu können und alles zu nutzen, was die Natur hergibt. Der Klimawandel und seine Folgen machen aber eine Veränderung im Denken nötig: Wir müssen uns reduzieren und zu einer einfacheren Lebensweise kommen, gerade in so sensiblen Regionen wie dem Gebirge. Ich glaube, dass viele Bergsteiger auf der Hütte auch mal mit einfacheren Mitteln auskommen. Wer auf Komfort nicht verzichten kann, wird sich andere Möglichkeiten suchen.

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