„Ich weiß nicht, ob ich im November Gehalt bekomme“

von Redaktion

Helmut Müller aus Niederbayern ist Flugkapitän bei Air Berlin. Er heißt eigentlich anders und will seinen richtigen Namen aus Angst, später keine Arbeit mehr zu finden, nicht in der Zeitung lesen. Am Donnerstag hatte er seinen letzte Flug.

-In dieser Woche haben Sie Ihre letzte Durchsage als Air-Berlin-Pilot gemacht. Was haben Sie gesagt?

Es war sehr emotional. Ich habe mich bei meiner Copilotin, bei meiner Kabinenbesatzung für ihre Professionalität und bei den Passagieren für ihre Treue über all die Jahre bedankt. Und ich habe Adieu gesagt, nicht auf Wiedersehen. Ein Wiedersehen als Air Berliner wird es nicht geben.

-Wie geht es jetzt weiter bei Ihnen?

Mir wäre wohler, wenn ich das wüsste. Noch habe ich einen gültigen Arbeitsvertrag. Gekündigt wurde ich noch nicht. Im Dienstplan für den November steht nur: off. Das heißt kein Einsatz. Daran halte ich mich und bleibe zu Hause.

-Bekommen Sie weiterhin ein Gehalt?

Das weiß ich nicht. Im Oktober habe ich noch eines bekommen.

-Sind Sie traurig oder sauer?

Definitiv beides. Meine Kollegen und ich haben die letzten Jahre alles mitgemacht. Sommer für Sommer gab es zu wenig Personal für zu viele Flüge. Wir sind immer geflogen, haben auf Urlaub verzichtet und auf freie Tage, um den Laden zu retten. Leider hat uns das nicht geholfen.

-Es war geplant, dass Air-Berlin-Beschäftige von der Lufthansa Tochter Eurowings übernommen werden sollten.

Ja, davon war explizit die Rede. Es gibt ein Video von Herrn Spohr (Carsten Spohr ist Vorstandsvorsitzender der Lufthansa AG, Anmerk. d. Redaktion), in welchem er alle Beschäftigen von Air Berlin begrüßt, willkommen heißt und andeutet, Großes mit ihnen vor zu haben. Ich dachte, es wird weitergehen und ich kann für die Eurowings arbeiten.

-Aber?

Ich soll mich bei Eurowings auf die eigene Stelle neu bewerben. Ich fliege seit über 30 Jahren, ich habe knapp 20 000 Flugstunden Erfahrung und soll mich auf meinen eigenen Job bewerben, den ich bisher gemacht habe?

-Erklären Sie das.

Die Flugzeuge von Air Berlin sind geleast. Einen Teil der Maschinen besitzt Lufthansa, die sie an Air Berlin vermietet. Ich habe die letzten Monate Flugzeuge geflogen, die Lufthansa gehören, die an Air Berlin vermietet sind und zum Beispiel in den Eurowings-Farben lackiert sind. Ich habe also bereits Flüge von Eurowings durchgeführt. Meine Hoffnung war, dass Eurowings uns übernimmt und ich weiter arbeiten kann. Sofern das Gehalt fair ist.

-Ist es unfair?

Es gibt eine Eurowings Deutschland, die fliegt mit 23 Flugzeugen mit deutsch tarifierten Arbeitsverträgen. Dann gibt es Eurowings Europe, mit Sitz in Österreich. Dort gibt es nur nicht-tarifierte Arbeitsverträge, ohne Kündigungsschutz und mit 30 bis 40 Prozent weniger Einkommen als marktüblich. Nur darauf kann ich mich bewerben.

-Ist Eurowings die einzige Alternative?

Ich bekomme jede Menge Stellenangebote in Asien und im Nahen Osten. Das ist aber in meinem Alter, ich bin Mitte 50, keine Alternative. Ich habe Familie, Kinder, Freunde, ein Haus, ein Umfeld. Das alles aufzugeben ist ein Unding. So geht es vielen meiner Kollegen.

-Was sagt Ihre Frau dazu, wenn sie jetzt öfter zu Hause sind?

Man muss Allem etwas Positives abgewinnen. Ich sage jetzt zu meiner Frau: Mein Gott, ein Gutes hat die Chose, ich bin vermutlich an Weihnachten zu Hause. Die letzten Jahre war ich immer im Einsatz. So richtig lachen darüber kann sie dennoch nicht.

Interview: Christoph Hollender

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