Terror-Fahrer pflügt Menschen um

New York trotzt der Angst

von Redaktion

Von Christina Horsten und Johannes Schmitt-Tegge

New York – Mit dem World Trade Center im Blick will Eugene Duffy seine Arbeitsschicht als Koch in einem Restaurant im Süden Manhattans beenden. Er will rausfahren auf die Halbinsel Rockaway, um mit seinem Vater das Baseball-Endspiel der World Series zu gucken, die Mütze der Houston Astros trägt er schon. Doch als Duffy eine Kreuzung überquert und eine Frau schreien hört, wird ihm klar: Da stimmt etwas nicht. Er sieht einen Kleintransporter, der mit hohem Tempo über einen Fahrradweg rauscht, dann zwei Fahrradfahrer, die am Boden liegen. „Das Erste, was ich dachte, war: Terroristen.“

Von einem „Terrorakt“ spricht wenig später auch New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio. Laut Polizei raste der Täter, ein 29-jähriger Usbeke, mit einem gemieteten Kleinlaster über den Fahrrad- und Fußgängerweg und pflügte durch die Menschen. Gegen ihn wird ein Strafantrag wegen Unterstützung einer Terrororganisation gestellt. Die traurige Bilanz: Acht Menschen sind tot, elf verletzt. Sechs Menschen sterben direkt am Tatort, zwei im Krankenhaus. Unter den Verletzten ist eine Deutsche, meldet das Auswärtige Amt. Fünf der Toten stammen aus Argentinien, zwei aus den USA und einer aus Belgien.

Die Gegend Manhattan gehört zu den geschäftigsten der Stadt – Tausende arbeiten hier, Touristen bummeln, die nahegelegene High School besuchen mehr als 3300 Schüler. Dazu ist Halloween, Familien sind bei Sonnenschein auf dem Weg zum Süßigkeiten-Sammeln. Gleichzeitig ist die Gegend mit Terrorismus vertraut. Am 11. September 2001 starben fast 3000 Menschen bei den Anschlägen auf die Türme des World Trade Centers. Heute stehen an der Stelle ein neuer Turm sowie ein Denkmal.

Schon 2001 hat sich die Stadt als widerstandsfähig erwiesen – und auch diesmal wird diese Parole ausgegeben. „Seien Sie New Yorker“, fordert etwa Gouverneur Andrew Cuomo. „Leben Sie Ihr Leben, lassen Sie Ihr Leben nicht von anderen bestimmen.“ Die Bürger folgen ihm, gehen am Abend auf Halloween-Umzüge und Partys.

Wer ist der Täter? Medienberichten zufolge stammt der Mann, er soll Sayfullo S. heißen, aus der muslimisch geprägten Ex-Sowjetrepublik Usbekistan, arbeitete zuletzt sechs Monate lang für den Fahrdienstvermittler Uber und machte dabei 1400 Fahrten. Das Unternehmen kündigt an, mit den Behörden zu kooperieren. Angeblich ist der Täter verheiratet und lebte seit 2010 mit einer sogenannten „Green Card“ legal in den Vereinigten Staaten (siehe Randspalte), vermutlich in Ohio, Florida und im Bundesstaat New Jersey, rund 40 Kilometer vom Anschlagsort entfernt. Dort soll er den Angriff zwei Monate lang vorbereitet und den Pickup gemietet haben. Laut Gouverneur Cuomo radikalisierte sich der Mann in den USA, indem er Videos der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) schaute. In der Nähe des Trucks sei eine Notiz gefunden worden, die eine Referenz zur Terrormiliz enthalte. Zunächst gibt es keine Hinweise auf einen Komplizen, die US-Bundespolizei FBI sucht aber nach einem Usbeken, 32, weil er „Informationen zu dem tödlichen Angriff haben könnte“.

„Er fuhr sehr schnell, vielleicht 40 oder 50 Meilen pro Stunde“, sagt Augenzeuge Eugene Duffy über den Wagen. Trotz der 70 Stundenkilometer habe es gewirkt, als beschleunige der Fahrer noch. Der Verkehr auf der West Street, die am Hudson River entlang führt, sei normal gewesen. „Jemand muss mehr haben als eine aggressive Fahrweise, um so etwas zu tun.“

Laut Schilderung von Bürgermeister de Blasio kommt der von einem Heimwerkermarkt gemietete Lieferwagen zum Stehen, als er vor der High School einen Schulbus rammt. Der Mann soll „Allahu Akbar“, arabisch für „Gott ist groß“, gerufen haben. „Das ist ein schmerzhafter Tag“, sagt de Blasio. Es handle sich um einen „Terrorakt“ der feigesten Art. Polizeichef James O’Neill spricht von der „Tragödie größten Ausmaßes“.

Augenzeuge John Williams, 22, ist mit dem Skateboard unterwegs, als ihm Frauen entgegenrennen. „Er hat eine Waffe“, habe jemand geschrien. Die Waffen, ein Paintball- und ein Luftgewehr, entpuppen sich als ungefährlich – Zeugen hören trotzdem neun Schüsse. Es sind die des Polizisten Ryan Nash, 28, der den Attentäter in den Bauch trifft und den Verletzten danach festnimmt. Nash wird von einigen New Yorkern als Held gefeiert.

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