Jagdszenen auf langen Fluren

von Redaktion

Wann immer die CSU zur Meuterei ansetzt, eilen Medien aus allen Landesteilen herbei – und versuchen, sich in Kreuth oder München zurechtzufinden

München – Die Szenen aus Kreuth sind mit das Bizarrste, was sich in 70 Jahren CSU-Putsch-Geschichte angesammelt hatte. Zur Januar-Klausur der Fraktion 2007, Edmund Stoiber kurz vor dem Sturz, stürmten Kamerateams aus halb Europa ins winterliche Seitental. In kollektiver Hysterie, ja keine Rücktrittsforderung zu verpassen, überfielen die ortsunkundigen Journalisten vor dem alten Wildbad jeden, der auch nur im Entferntesten wie ein CSU-Abgeordneter aussah. Bevorzugt auch Referenten und Fahrer, die eisern schwiegen. Dafür gelang es einem führenden fränkischen Abgeordneten, der investigativen Meute mit der Ausrede zu entkommen, er müsse drinnen was reparieren. „Lasst den durch, das ist nur der Hausmeister“, riefen die zugereisten Journalisten ihren Kollegen zu, und machten eilig den Weg frei.

Tatsächlich setzt der riesige Medienrummel um die CSU immer dann ein, wenn wieder ein Sturz ansteht, wenn die Macht neu verteilt wird. Dann steigt ja auch das öffentliche Interesse extrem. In Kreuth 2007 waren es rund 200 Journalisten, diesmal im Maximilianeum sind es rund 100. Als Horst Seehofer im Landtag eintrifft, erwarten ihn zwei Dutzend Kameras, während er ein paar Sätze sagt, übertragen mehrere Sender live aus dem kleinen Vorraum des CSU-Sitzungssaals.

Auch auf den schmalen Gängen spielen sich turbulente Szenen ab. Mehrere Politiker bekommen eine Kamera an den Kopf. Ein Absperrband wird überrannt. Der Abgeordnete Alex Dorow, körperlich nicht unbedingt ein Schlangenmensch, windet sich zwischen den Scheinwerfern und dem Korrespondenten einer Live-TV-Schalte hindurch. Als Vize-Ministerpräsidentin Ilse Aigner auftaucht, beginnt ein hektischer Spurt in ihre Richtung. Kein Durchkommen für sie, auch nicht, als sie mehrmals bittet. Seehofers Personenschützer, im Gedrängel sehr umsichtig, kommen ihr diskret zu Hilfe, als ihr Chef im Fraktionssaal in Sicherheit ist. Spätere Statements absolviert sie mit einem Kratzer auf der Wange.

Auch inhaltlich läuft es turbulent. Ein Sender verbreitet mittags per Eilmeldung, Seehofer übergebe die Staatskanzlei an Markus Söder. Hektische Dementis folgen. Auf dem Landtags-Hof staucht CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer die Reporter des Senders zusammen, droht ihnen wütend „sehr ernste Gespräche“ mit ihren Chefs an.

In München, anders als in Berlin, sind solche Szenen selten. Die Umgangsformen sind unaufgeregt. Politiker müssen nach Interviews meist nicht buchstabieren, wie sie heißen. Man kennt sich. Der Landtag agiert als Hausherr sehr medienfreundlich. Viel hat auch damit zu tun, wie gelassen die erste Reihe der Landespolitik mit Medien umgeht. Das war zu Stoibers Zeiten anders. Über ihn heißt es, er sei aus Kreuth mal zusammengekauert auf der Rückbank eines getarnten Kleinwagens vor den Kameras geflüchtet. Nachfolger Seehofer nimmt sich immer ein paar Minuten.

Selbst an diesem Tag. „Tätliche Angriffe hier“, unkt er, als sich rangelnde Tontechniker gegenseitig die Mikrofone wegdrücken. Als ihm zwei Reporter gleichzeitig ihre Fragen ins Gesicht schreien, gibt er milde einen Rat mit auf den Lebensweg. „Langsam. Hintereinander.“  cd

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