Die Logistikbranche schlägt Alarm: Sie sieht sich in der heißen Phase des Weihnachtsgeschäfts an ihren Grenzen. Wir sprachen darüber mit Oliver Prothmann, dessen Verband mittelständische Onlinehändler vertritt. Er sieht die Paketdienstleister selbst in der Pflicht. Sie sollten endlich besser zusammenarbeiten – und den Beruf des Paketfahrers attraktiver machen.
-Die Logistikbranche warnt vor einem Transportinfarkt. Übertrieben?
Ich halte das schon für übertrieben, weil wir ja feststellen, dass die Pakete alle ankommen. Das System an sich funktioniert. Es wundert mich ehrlich gesagt, dass die Logistiker gerade in der Hochphase der Weihnachtszeit dieses Thema hochziehen. Weihnachten kommt ja nicht so plötzlich, da kann man ja vorsorgen, etwa indem man genug Fahrer einstellt.
-Branchenweit fehlen tausende Paketfahrer.
Wir merken schon, dass manches oft nicht mehr an einem Tag geschafft wird, sondern zwei Tage braucht. Da muss die Logistikbranche selbst eine Lösung finden, wie sie rechtzeitig an Personal kommt, es schult und ausrüstet, damit mehr Leute diesen Job gern machen.
-Und besser bezahlt?
Ganz genau.
-Könnte sich das auf die Paketpreise auswirken, bzw. das Ende einer kostenlosen Zustellung bedeuten?
Grundsätzlich ist die Zustellung von Paketen ja immer eine Dienstleistung, die etwas kostet. Es hat sich nur in letzter Zeit im Onlinehandel eingebürgert, „versandkostenfrei“ zuzustellen. Die Kosten sind natürlich trotzdem da, sie sind halt in die Preise hineinkalkuliert. Für uns Händler gibt es immer wieder Preiserhöhungen, die der Kunde gar nicht mitbekommt. Die Logistikbranche diskutiert aktuell aber darüber, ob der Preis künftig abhängig vom Zielort eines Paketes festgelegt wird. Also die aufwendige Zustellung von Tür zu Tür würde dann mehr kosten, als wenn die Pakete an einer Paketstation abgegeben werden.
-Fürchten Sie nicht, dass die Online-Bestellung an Attraktivität verliert, wenn ich mein Paket irgendwo abholen muss?
Glaube ich nicht. Es geht ja nicht um irgendwelche abgelegenen Ecken, sondern um Orte, an denen ich eh vorbeikomme, also eine Tankstelle oder ein Lebensmittelladen. Es wäre übrigens auch die Immobilienbranche gefordert. Wenn neue Objekte geplant werden – egal ob Wohnhäuser oder Gewerbeanlagen –, müssten zentrale Paketstationen vorgesehen werden. Das geschieht heute überhaupt noch nicht, wäre aber enorm wichtig. Denn dann müsste der Paketbote nicht 200 Wohnungen einzeln abklappern, sondern könnte seine Fracht an einer Stelle loswerden, an der ohnehin alle Bewohner vorbeikommen.
-Viele Firmen bieten auch eigene Paketbriefkästen an.
Ja, aber da arbeiten die Logistiker leider nicht zusammen. Da hat DHL ein anderes System als Hermes oder DPD. Ich frage mich immer: Warum? Ein gemeinsames Vorgehen wäre für die Branche insgesamt von Vorteil. Die Logistikbranche muss damit anfangen, darüber nachzudenken, wie sie ihre Infrastruktur gestalten muss. Denn der Online-Handel wird wachsen. Das steht fest.
-Bleibt das Problem, dass die vielen Fahrten der Paketdienstleister für Städte und Kommunen zunehmend zum Verkehrsproblem werden.
Stimmt. Ich kenne Kommunen, die künftig nur noch einen Dienstleister in die Innenstadt lassen wollen. Das heißt, vor dem Zentrum muss es einen Übergabepunkt geben, an dem alle Paketdienste ihre Ladung an den einen übergeben, der reinfahren darf. Das kann schon sinnvoll sein, auch wenn es ein zeitlicher Aufwand ist, immer wieder umzupacken.
-Also, Fantasie ist gefragt.
Genau. Ich war gerade in China. Da gibt es Systeme, die die Anlieferung bis auf Fahrradkuriere herunterbrechen. Auch darüber muss man nachdenken. Was nicht sein kann, ist, dass jeder Paketdienst nur sein eigenes Ding macht.
-Schaffen Sie es, noch alle Pakete rechtzeitig vor Weihnachten zum Kunden zu bekommen?
Ja, davon gehe ich fest aus. Wenn wir nicht noch einen starken Wintereinbruch bekommen, kriegen wir das hin.
Interview: Corinna Maier