Hartmut Wächtler ist Strafverteidiger mit Kanzlei in Schwabing. 2015 gehörte er beim G7-Gipfel in Elmau zum Anwälte-Team im Protestcamp. Wächtler unterrichtet auch an Polizeischulen.
Herr Wächtler, die Polizei fahndet nach über 100 Gewalttätern beim G20-Gipfel – mit etlichen Fotos und Videos. Wie bewerten Sie das?
Zunächst muss man nüchtern festhalten: Die Öffentlichkeitsfahndung nach Unbekannten ist zulässig, wenn ein Richter das anordnet und es sich um schwere Taten handelt.
Gab es das in dieser Dimension schon mal?
So viel ich weiß nicht.
Ist die Fahndung trotzdem verhältnismäßig?
Schwer zu beurteilen. Für eine solche Einschätzung ist es zu früh.
Sie klingen skeptisch.
Leider sind die Vorschriften gelockert worden. Nun braucht es für einen solchen Schritt nur „erhebliche Straftaten“ – was ein dehnbarer Begriff ist. Meiner Meinung nach gibt es eine Diskrepanz: Auf der einen Seite wird jetzt nach diesen Menschen öffentlich mit Gesichtsfotos gefahndet. Auf der anderen Seite wehren sich alle Polizeigewerkschaften dagegen, dass man bei Polizisten bei solchen Demos überhaupt das Gesicht erkennen kann.
Sie waren 2015 beim G7-Gipfel in Elmau Teil des Anwälte-Teams im Protestcamp. Warum ist der Protest damals nicht eskaliert?
Man hatte eine intelligente Polizeiführung. Ich war selbst bei einigen Versammlungen dabei. Da waren zwar auch viele Polizisten mit Helm und Schwert – aber es wurde gezielt deeskaliert.
Anders als in Hamburg?
Ganz offensichtlich, ja. Da gab es ja Berichte, dass die Polizei derart aggressiv aufgetreten ist, dass sie manche Schlägerei quasi selbst provoziert haben. Davon soll eine derart publikumswirksame Fahndung natürlich auch ablenken.
Ebenfalls wichtig: Es gab eine Stellungnahme der Geschäftsleute im Hamburger Schanzenviertel. Die haben gesagt, dass das keineswegs nur linksradikale Randalierer waren.
Folgendes Szenario: Ihr Telefon klingelt. Einer der Gesuchten meldet sich – und fragt, was er tun soll.
Sich unauffällig verhalten. Das muss ich sogar raten als Anwalt. Niemand ist verpflichtet, sich selbst in irgendeiner Form zu belasten.
Interview: Maximilian Heim