München – Am Abend steht das Auto noch vor der Tür, am Morgen ist es verschwunden. In der Nacht, wenn die Hausbewohner friedlich schlafen, steigen Unbekannte ins Haus ein, suchen gezielt nach den Schlüsseln. Und fahren mit der teuren Limousine davon. Diesen Albtraum mussten in den vergangenen Monaten einige Autobesitzer in Oberbayern erleben. Unter ihnen auch ein prominentes Paar: Bei Tanja Valérien, Tochter des bekannten Sportreporters Harry Valérien, und ihrem Mann, dem Extremkletterer Stefan Glowacz, ist Anfang Dezember in ihr Haus in Berg am Starnberger See eingebrochen worden. Die Diebe schnappten sich den Autoschlüssel und fuhren mit dem neuen BMW mit einem Wert von über 120 000 Euro weg. Das Auto tauchte zwar in Gilching wieder auf, von den Tätern fehlt aber immer noch jede Spur.
Die Liste der entwendeten Luxuslimousinen in den vergangenen Monaten ist lang. 4. Januar: Ein BMWi im Wert von circa 80 000 Euro verschwindet in Kranzberg (Landkreis Freising) spurlos. 20. Dezember: Diebe stehlen einen BMW 340i, über 65 000 Euro wert, vom Stellplatz vor dem Haus des Besitzers in Wolfersdorf (Kreis Freising). 16. Dezember: Ein Audi A8, 50 000 Euro wert, wird vor dem Haus in Ilmmünster (Kreis Pfaffenhofen/Ilm) gestohlen. 8. Dezember: Kriminelle steigen in ein Haus in Gauting (Kreis Starnberg) ein und entwenden den Autoschlüssel eines Mercedes E- Klasse Kombi. Wert: 40 000 Euro. 7. Dezember: Diebe brechen in ein Haus in Greifenberg ein (Kreis Landsberg). Sie machen fette Beute: Ein Porsche 911 Carrera S und ein BMW X6 sind weg. Ebenfalls 7. Dezember: Hepberg (Kreis Eichstätt), ein Audi A5 wird in den frühen Morgenstunden vor einem Einfamilienhaus entwendet. 2. Dezember: In der Nacht wird ein Mercedes GLE in Stammham (Kreis Eichstätt) gestohlen. Die Autos aus Eichstätt allein haben zusammen einen Wert von 150 000 Euro.
Auch die Kripo Fürstenfeldbruck schlägt sich seit September mit einer Serie von Diebstählen herum. Elf Autos sind in diesem Zeitraum im Raum Starnberg vor neun Häusern verschwunden. Der Schaden ist immens: Die Luxuslimousinen sind insgesamt 800 000 Euro wert. Die Polizei geht davon aus, dass es sich um eine Diebesbande handelt, die hoch professionell vorgeht. Ein Range Rover wurde zwar in Starnberg wiedergefunden, der BMW des Promi-Paares aus Berg stand in Gilching. Von den anderen Wagen fehlt aber jede Spur, ebenso wie von den Tätern. Mittlerweile sucht Interpol nach den Autos.
Die Masche der Täter ist heimtückisch. „Homejacking“ wird sie genannt. Dabei nutzen die Diebe die Dunkelheit und den Tiefschlaf der Autobesitzer aus. Sie bohren laut Polizei meist ein Fenster im Erdgeschoss auf, greifen gezielt nach den Autoschlüsseln und brausen davon. Die Nummernschilder werden an einem Parkplatz ausgetauscht. Meist warte irgendwo ein Lastwagen, auf den die Autos verladen und gen Osten gebracht werden. Laut Polizei werden die Fahrzeuge oft sogar auf Bestellung gestohlen.
„Die Methode ist nicht neu, aber so gehäuft ist sie bei uns noch nicht aufgetreten“, sagt ein Ermittler der Kripo Fürstenfeldbruck. Hausbewohner sollten deshalb darauf achten, ob sich fremde oder verdächtige Personen und Fahrzeuge in der Nähe des Hauses befinden. Wichtig sei es zudem, sein Fahrzeug in einer abschließbaren Garage abzustellen. Außerdem sollte der Autoschlüssel möglichst nicht sichtbar am Schlüsselbrett im Eingangsbereich hängen. „Damit macht man es den Dieben einfach.“
Die „Homejacking“-Methode ist für die Opfer besonders traumatisch. Denn sie sind in ihren Schlafzimmern, wenn Fremde ins Haus eindringen. Doch es ist nicht die einzige Masche, mit der Diebe momentan teure Autos knacken. Auch eine Schwachstelle in der Technik macht viele Luxuslimousinen zu einer leichten Beute: Schlüssellose Schließsysteme, sogenannte „Keyless-Systeme“, ermöglichen es Dieben, Autos zu klauen – ganz ohne Schlüssel.
„Es handelt sich längst nicht mehr um Einzelfälle“, sagt Ludwig Waldinger, Pressesprecher des Bayerischen Landeskriminalamtes (LKA). Schwierig sei aber, konkrete Zahlen zu ermitteln, in wie vielen Fällen tatsächlich das schlüssellose Schließsystem überlistet wurde. „Die Täter hinterlassen keine Spuren, oft bleiben die Autos verschwunden.“ In den Polizeimeldungen wird inzwischen immer darauf hingewiesen, wenn ein gestohlenes Auto über ein Keyless-System verfügte. „Aber es sind eben nur Verdachtsmomente.“ Trotzdem geht Waldinger davon aus, dass die Zahl der Diebstähle von Autos mit Keyless-Systemen noch ansteigen wird. „Das liegt daran, dass immer mehr Pkw mit diesem System auf den Straßen unterwegs sind.“ Inzwischen statten viele Hersteller auch schon Fahrzeuge im Mittelklassesegment damit aus.
Das Schließsystem, das meist als Sonderausstattung mit einem gehörigen Aufpreis verbunden ist, verspricht Komfort: Wagen, die damit ausgestattet sind, erkennen den Autoschlüssel per Funk. Der Fahrer muss ihn nur in der Jacken- oder Hosentasche bei sich tragen. Die Türgriffe werden automatisch entriegelt, wenn er näher an die Zentralverriegelung herankommt. Außerdem lässt sich der Motor starten, ohne den Schlüssel ins Zündschloss zu stecken. Lästiges Kramen nach dem Autoschlüssel entfällt damit. „Das klingt zunächst bequem“, sagt eine Sprecherin des ADAC. Doch das Sicherheitsrisiko sei groß.
Der ADAC untersucht bereits seit 2015 diese Systeme. Seitdem wurden fast 160 Automodelle mit Keyless auf ihre Sicherheit getestet. „Bisher ließen sich alle sekundenschnell öffnen und wegfahren“, so die Sprecherin. Die schlüssellosen Schließsysteme geben ständig Funksignale ab. Mit einer selbst gebauten Funk-Verlängerung fangen Diebe diese ab, verstärken sie und können so die Türen entriegeln. Das Fatale: Dieser Trick funktioniert auch, wenn der Autoschlüssel im Haus aufbewahrt wird. Ein Autodieb steht mit dem Funkwellenverlängerer am Haus und sendet das Signal an seinen Partner. Der fängt mit einem zweiten Gerät das Funksignal auf. Die Entriegelung öffnet sich und das Auto lässt sich wegfahren.
Die Hersteller wüssten von den Sicherheitslücken bei den elektronischen Schließsystemen. „Aber sie hinken meilenweit hinter den Sicherheitsstandards der IT-Branche hinterher“, bemängelte Thomas Burkhardt, ADAC-Vizepräsident für Technik, bereits im vergangenen Frühjahr. Viel ist seitdem nicht passiert. Range Rover habe ein diebstahlsicheres System angekündigt, der ADAC warte derzeit auf ein solches Fahrzeug für einen Test. Andere Hersteller arbeiten an einer Technologie, die das Abfangen der Funksignale verhindern soll.
Auch Bewegungsmelder, die das Öffnen der Tür nur dann ermöglichen, wenn der Originalschlüssel in Bewegung ist, werden getestet. „Bisher ist die Sicherheitslücke aber nicht geschlossen“, so die ADAC-Sprecherin.