Martin Spann, 45, ist Direktor am Institut für Electronic Commerce und digitale Märkte der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er forscht zur „Sharing Economy“.
Herr Spann, warum ist Leihen gerade so in?
Der Ausdruck „Sharing Economy“ bedeutet, dass sich jemand ein Produkt kauft, zum Beispiel eine Bohrmaschine, und das mit mehreren Personen teilt. Oder ein Anbieter besitzt ein Produkt und verleiht es an mehrere Nutzer. Schaut man sich Second-Hand-Läden oder Skibasare an, ist der Grundgedanke hinter dem Teil-Modell nichts Neues. Doch mit dem Internet ist es nun deutlich einfacher, Angebot und Nachfrage zusammenzubringen. Soziale Netzwerke verbreiten den Trend.
Warum vermietet nun eine Filialkette wie Tchibo Babykleidung?
Das Unternehmen springt wohl auf den aktuellen Trend auf. Es gibt anscheinend genug Kundschaft, die lieber leiht als kauft. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Das Finanzielle spielt eine große Rolle. Wenn ich weiß, dass ich eine Sache nur begrenzte Zeit brauche, ist Mieten eben deutlich günstiger. Der soziale Aspekt des Teilens ist eher auf lokaler Ebene wichtig, bei einem Großkonzern wie Tchibo weniger. Der Umweltaspekt wird ebenfalls gerne genannt. Was letztendlich den Ausschlag gibt, hängt vom einzelnen Kunden ab. Ob und mit welchen Einschränkungen sich Leihen lohnt, muss jeder für sich entscheiden – sowohl Anbieter als auch Nutzer.
Auf welche besonderen Modelle sind Sie bereits gestoßen?
In Amerika ist es schon lange üblich, dass Kleider und Anzüge für die traditionellen Abschlussbälle geliehen werden. Doch auch die Modebranche hier hat das Verleihen für sich entdeckt und wird es wohl noch weiter ausbauen. In China kann man sich von Privatpersonen Mahlzeiten zubereiten und liefern lassen. Das schätze ich bei uns in Bezug auf die Hygienevorschriften eher schwierig ein.
Das heißt, dass wir auch in Zukunft nicht alles leihen werden?
Genau. Ich denke, dass das Kaufen nicht aussterben wird. Denn selbst wenn sich die Miet- oder Leihmodelle in sämtlichen Bereichen weiterentwickeln, wird es immer Menschen geben, die Dinge besitzen wollen – aus persönlichen oder ideellen Gründen. Auch, wenn es im Endeffekt vielleicht teurer ist.
Interview: Magdalena Höcherl