4 Fragen aN

„Man muss den Leuten das Grauen zumuten“

von Redaktion

Regisseur Joseph Vilsmaier, 79, steht seit 1961 hinter der Kamera. 1993 drehte der Münchner „Stalingrad“.

Wie kamen Sie damals darauf, einen Film über Stalingrad zu drehen?

Zwei Onkel von mir sind im Zweiten Weltkrieg gefallen, einer kam ohne Fuß zurück. Das hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ich habe den Film gedreht, weil ich vor Augen führen wollte, was Krieg aus Menschen macht. Stalingrad ist für mich einer der wichtigsten Filme, die ich machen durfte.

Haben Sie ex-sowjetische Veteranen in die Vorbereitung miteinbezogen?

Ja, einer unserer Berater war einem russischen Oberst beim Anrollen der ersten sechs deutschen Panzer auf einer Anhöhe in Stalingrad gegenübergestanden. Beide hatten ihre Pistolen aufeinander gerichtet – und keiner hat geschossen. Eine Szene, die auch im Film vorkommt. Nach dem Krieg trafen sie sich wieder und wurden Freunde – und der russische Oberst Berater für den Film.

Wie war es für Sie als Deutscher, russischen Veteranen zu begegnen?

Bei der Vorbereitung des Films war ich dreimal in Wolgograd, wie Stalingrad heute heißt. Da war ich auch am Mamajew-Hügel. Allein beim Kampf um diesen Hügel sind fast 30 000 Menschen gestorben! Heute machen dort junge Russen ihre Hochzeitsfotos. Als ich 1990 da war, saß da ein alter Mann, dem ein Arm fehlte und der unzählige Orden an der Brust hatte. Er beobachtete die Hochzeitspaare. Ich setzte mich dazu und er sprach mich auf Deutsch an: „Ihr Verlierer, wir Sieger – dir geht es besser.“ Das hat mich unglaublich bewegt.

Was die Menschen in Stalingrad durchmachen mussten, kann man sich nur schwer vorstellen. Wie war das im Film?

Eine Szene habe ich rausgeschnitten. Aber es war ein belegtes Ereignis: Die sowjetischen Soldaten schickten Pferde in Richtung der deutschen Stellungen – und kurz vor den Schützengräben schossen sie die Tiere tot. Die deutschen Landser waren so ausgehungert, dass sie zu den Pferden rannten, um deren rohes Fleisch zu essen – und wurden erschossen. Es war eine Falle. Ich habe damals auf die Leute gehört, die sagten, so eine Szene kann man dem Publikum nicht zumuten. Aber eigentlich finde ich, man muss den Leuten die ganze Grausamkeit dieses Krieges zumuten. Weil Krieg Wahnsinn ist und keine Lösung für irgendwas!

Interview: Klaus Rimpel

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