6 Fragen an

„Alle aufgeklaubt, die sie fanden“

von Redaktion

Dr. Robert Lindenmüller, 90, hat als Chirurg viele Jahre im Münchner Klinikum rechts der Isar gearbeitet. Der 6. Februar 1958 ist ihm bis heute im Gedächtnis geblieben.

Vor 60 Jahren ist das Flugzeug von Manchester United in München verunglückt. Was ist Ihre prägendste Erinnerung?

Es war in den frühen Abendstunden, wir wollten nach getaner Arbeit eigentlich nach Hause. Dann aber kam die Durchsage, dass alle dableiben müssen. Ein Flugzeug sei abgestürzt. Also sind wir in die Nothilfe getrabt – und haben gewartet, was da kommt.

Und was kam?

Die Sanitätswagen. Einer nach dem anderen. Es gab damals noch keine Notarztwägen, sondern eben diese Sankas. Die haben draußen an der Unglücksstelle alle aufgeklaubt, die sie gefunden haben. Manche mussten sie erst aus den Trümmern ausgraben. Die Oberärzte haben dann zugeteilt. Schwerverletzte gleich nach oben in den OP. Leichter Verletzte wurden von Ärzten wie mir versorgt.

Sie waren damals junger Assistenzarzt?

Genau. Ich hatte erst zwei Jahre Chirurgie-Ausbildung hinter mir.

Wissen Sie noch, wen Sie versorgt haben?

Das weiß ich nicht mehr, keine Ahnung. Es war jedenfalls ein Spieler mit Schädel-Hirn-Trauma. Er hatte eine größere Wunde am rechten Oberschenkel. Ich habe ihn mit einer Schwester versorgt. Einen Anästhesisten haben wir nicht gebraucht, weil er ja schon bewusstlos war.

Wie lange haben diese prominenten Verletzten – das Krankenhaus denn in Aufregung gehalten?

Ach, so groß war die Aufregung gar nicht. Als wir mit unserer Arbeit fertig waren, sind wir gegen drei Uhr in der Früh nach Hause gegangen. Und fünf Stunden später ging es weiter. Die Schwerverletzten waren auf der Intensivstation, da war ich aber nicht. Unter uns Ärzten waren diese Patienten keine so große Sensation.

In Manchester war die Dankbarkeit gegenüber Ärzten und Krankenschwestern riesig.

Und wie. Nach einiger Zeit wurde eine Abordnung unseres Klinikums nach Manchester eingeladen. Das war ein großer Empfang. Für uns allerdings waren das damals einfach Verletzte, die versorgt werden mussten. Wir haben uns auch nicht gefragt, welche Nationalität diese Menschen hatten. Das war unsere Arbeit.

Interview: Maximilian Heim

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