4 Fragen aN

„Es könnte weltweit Schule machen“

von Redaktion

Mareike Ohlberg vom China-Institut Merics in Berlin hat die neuen Pläne der Machthaber in Peking erforscht. Im Interview berichtet die Expertin, wie die kommunistische Führung mit Big Data die Gesellschaft kontrollieren will.

Hat das Sozialkredit-System in China auch etwas mit Deutschland zu tun?

Das gesellschaftliche Bonitätssystem ist zuerst einmal ein chinesisches System. Es wird jedoch definitiv Auswirkungen auf deutsche Unternehmen mit Niederlassung in China haben, da auch ausländische Unternehmen vollständig in das System integriert werden sollen. Auch deutsche Bürger, die längere Zeit in China leben, sollten davon ausgehen, spätestens in ein paar Jahren genauso wie Chinesen behandelt zu werden.

Wie beeinflusst Chinas Führung die digitale Transformation?

Lange hieß es, das Internet sei das Ende der Kommunistischen Partei Chinas. Das hat sich nicht bewahrheitet, auch wenn die Partei immer noch Angst vor sozialer Selbstorganisation hat. Inzwischen sieht die chinesische Regierung die digitale Transformation als große Chance. Die Partei sieht darin einen Weg, die eigene Machtposition zu festigen, solange sie selbst die Regeln digitaler Interaktion bestimmt.

Machen sich chinesische Internetkonzerne zum Komplizen der Überwachung?

Das genaue Ausmaß des Datenaustausches im Rahmen des Systems ist unklar. Chinesische Behörden versuchen, auf verschiedenen Wegen sicherzustellen, dass sie Zugriff auf bestimmte, für das gesellschaftliche Bonitätssystem relevante Daten haben. Ein Beispiel dafür sind bestehende Datenaustausch-Abkommen zwischen Regierungsbehörden und einzelnen Firmen.

Wie groß ist die Gefahr, dass andere Länder dem Beispiel Chinas folgen?

Momentan ist die Gefahr gering, dass China das gesellschaftliche Bonitätssystem aktiv in andere Länder exportiert, da es noch in der Aufbauphase steckt. Sollte es sich aber als erfolgreich herausstellen, die Machtposition der Partei stärken und die Kontrolle über die chinesische Gesellschaft sicherstellen, könnte es durchaus zum Modell für andere Länder werden, gerade solche mit autoritären Systemen. Sollte sich das gesellschaftliche Bonitätssystem als effizientes Kontrollinstrument herausstellen, hat es das Potenzial, weltweit Schule zu machen.

Interview: Andreas Landwehr

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