Der Vorgänger

Wundersame Zufälle: Seehofers kühler Auftritt

von Redaktion

München – Horst Seehofer steht auf in Reihe eins, dreht sich einmal um die eigene Achse, und sieht Seltsames. Die Abgeordneten der CSU haben sich erhoben, sie applaudieren ihm und wollen gar nicht mehr aufhören. Seinem Gesicht ist nicht anzumerken, was er sich denkt in diesem Moment. Rührung jedenfalls eher nicht. Jene Fraktion, die ihn über Monate loszuwerden versuchte, die ihn „demontierte“, wie er selbst beklagt, liefert nochmal ein großes Staatsschauspiel für die live übertragenden Fernsehsender ab. Der zurückgetretene Ministerpräsident lässt sie gewähren.

Seehofers Rückkehr in den Landtag ist kein ehrliches, aber ein unterhaltsames Spektakel. Tagelang hatte er offen gelassen, ob er zu Söders Wahl erscheinen werde. Als neuer Bundesinnenminister gibt es halt eine enorme Terminflut in Berlin. Er kommt dann, aber mit riesiger Bugwelle: ein „Bild“-Interview über den Islam, das in den Medien an diesem eigentlich für Söder reservierten Morgen die Schlagzeilen beherrscht und für enormen Wirbel sorgt. Nur wer sehr naiv ist, darf an einen Zufall glauben.

Den Kontakt mit den Abgeordneten, formal ist er übrigens noch bis April einer von ihnen, beschränkt Seehofer auf das Nötigste. Er kommt leider zu spät, um noch die Fraktionssitzung zu erreichen. Und muss dringend wieder weg in exakt der Minute, in der Söder zum Ministerpräsidenten gewählt wird. Schon seine Eidesformel bekommt er nicht mehr mit. Auf Nachfrage nach diesen Nickligkeiten weist Seehofer im Brustton tiefster Überzeugung jede Absicht von sich: „Bitte – da muss man ein bisschen über den Dingen stehen, sich nicht im Dickicht verheddern.“ Er habe sich bereits ordentlich von der Landtagsfraktion verabschiedet, das müsse man doch nicht fünf Mal wiederholen. Ach ja, und es gebe „keine emotionalen Betroffenheiten“.

Zweimal noch muss er trotzdem in die Landespolitik eintauchen, mindestens. Am Montag hat ihn der Bayern-Ei-Untersuchungsausschuss vorgeladen, zuvor ist Amtsübergabe in der Staatskanzlei. Und im April plant Landtagspräsidentin Barbara Stamm eine feierliche Danksagung an Seehofer. Sie meint das sehr ernst, mancher Kollege wird allerdings schauspielern müssen.  cd

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