Ein Jahr war Charlotte alt, als ihr Vater starb. Erinnerungen an diesen Zeitpunkt hat die 21-Jährige nicht. Doch als Kind merkte sie bald, dass jemand fehlte. Hilfe bekam sie in der Nicolaidis Young Wings Stiftung – die sie mittlerweile selbst ehrenamtlich unterstützt.
Wann ist Ihnen der Verlust des Vaters das erste Mal bewusst geworden?
Man merkt nach und nach, da ist eine Lücke. Da sind Ereignisse wie eine Hochzeit in der Familie, Einschulung oder Konfirmation, wo der Vater fehlt. Das sind dann schwere Momente.
Wie ist Ihre Mutter damit umgegangen?
Sie hat immer sehr offen mit mir und meinen Brüdern darüber geredet. Man wächst dann mit diesem Wissen auf. Und meine Mutter hat uns von Anfang an mit in die Stiftung genommen, die Gruppentreffen und Ausflüge organisierte.
Was hat Ihnen am meisten geholfen?
Dass es immer okay war, darüber zu reden. Es war toll, wenn ich mit anderen Jugendlichen von der Stiftung unterwegs war. Man redet über schöne, lustige Dinge, aber eben auch über ernste. Das tut so gut, Leute um sich zu haben, die wissen, wie es sich anfühlt. Andere können sich nur hineinversetzen – aber schwer nachvollziehen, wie es ist, wenn das Leben wie ein Kartenhaus zusammenfällt.
Wie haben die Freunde in der Schule reagiert?
Für andere ist es generell oft sehr unangenehm. Es ist ihnen peinlich, wenn sie nach dem Vater fragen und man dann antwortet, dass er gestorben ist. Sie entschuldigen sich dann gleich, dass sie gefragt haben.
Tod ist ein Tabuthema.
Auf alle Fälle. Und die Stiftung versucht, dieses Thema mehr in die Welt zu tragen. Dass es okay ist, über den Tod zu reden, und nur, weil so etwas passiert, nicht
alles schlecht ist. Dass das Leben weitergeht. Ich habe viele tolle Menschen durch die Stiftung getroffen. Die sind wie eine Familie für mich geworden. Und das Wissen, dass da immer jemand für mich da ist, hat mir unglaublich geholfen.
Wie geht es Ihnen heute damit?
Es gibt immer wieder Punkte im Leben, wo es wieder schwerer wird. Zum Beispiel wenn ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Man kommt immer wieder darauf zurück. Diese Narbe bleibt. Aber ich weiß: Wenn es mir schlecht geht, muss ich nicht allein damit klarkommen.
Interview: Doris Richter