München – In einem Bürogebäude in Offenbach am Main berechnet ein Computer, was sich nur schwer berechnen lässt. Er steht auf 500 Quadratmetern, verkabelt mit einem Labyrinth von Prozessoren, die mehr als eine Billiarde Rechenschritte pro Sekunde ausführen. Schneller geht’s kaum. Vor vier Jahren hat sich der Deutsche Wetterdienst (DWD) diesen Supercomputer gekauft. Er heißt CrayXC40, kostete 40 Millionen Euro. Und obwohl der DWD, die oberste Wetterbehörde des Landes, ihn mit den modernsten meteorologischen Daten füttert, verrechnet sich der Computer immer wieder an einer auf den ersten Blick ziemlich banalen Frage: Wird es regnen oder nicht?
An der Launenhaftigkeit des Wetters scheitert selbst die Maschine. Trotzdem oder gerade deswegen versuchen Menschen, das Wetter mit einfachen Hilfsmitteln vorherzusagen. In den Medien werden sie „Wetterpropheten“ genannt. Wer sind diese Hobby-Meteorologen? Was sind ihre Methoden? Und wie wird eigentlich der Sommer in Bayern? Ein Überblick.
Alte Kalender als Glaskugeln
Im Dezember klingelt das Telefon in Josef Jägerhubers Haus am Starnberger See besonders oft. Die Anrufer fragen dann, was das Wetter im nächsten Jahr bringt, er antwortet ihnen immer, dass seine Vorhersagen nicht wissenschaftlich fundiert seien, trägt sie dann aber doch gerne vor.
Jägerhuber, 92, hat mit seinen Prognosen oft Recht gehabt, genauso oft aber auch nicht. Trotzdem hören ihm viele Menschen zu, manche planen mit seiner Hilfe sogar ihren Urlaub. Vergangenen Dezember etwa hat eine Frau aus Hamburg angerufen, ihr gehört eine Ferienwohnung am Starnberger See. Sie wollte wissen, wann die Sonne dort scheint. Also hat sie Jägerhuber gebeten, in die Glaskugel zu schauen.
Wenn er in die Glaskugel blickt, dann liest Josef Jägerhuber, ein gelernter Schriftsetzer, in seinen alten Kalendern. Seit 1960 notiert er darin, was das Wetter macht, ob es warm ist oder kalt, ob es regnet oder schneit. Um vorherzusagen, was im nächsten Jahr passiert, durchblättert er sie immer wieder. Er glaubt nämlich daran, dass sich bestimmte Muster wiederholen, alle sieben Jahre.
Diesen Sommer hat Jägerhuber bereits im Januar orakelt. Es werde nass und feucht, sagte er, ein typisches Venus-Jahr. Im Juni rechnet er mit vielen Regentagen, den Hochsommer erwartet er im Juli, gespickt mit heftigen Gewittern. Einen trockenen Urlaub am See kann er nicht garantieren.
Was Tomaten und Löwenzahn verraten
Das Rätsel der Tomaten hat Michael Luckas bis heute nicht gelöst. Irgendwann hat er festgestellt, dass sie ihre Außenhaut verstärken, wenn der Luftdruck steigt. In dieser Hinsicht seien sie schneller als ein Barometer. Doch obwohl er den Trick kennt, versteht er nicht, wie er genau funktioniert. Er weiß nur: Es hat mit dem Wetter zu tun.
Luckas, 54, hat gelernt, die Natur zu lesen. Er ist im Voralpenland aufgewachsen, als kleiner Bub erkundete er den Waginger See und seine Umgebung, heute arbeitet er als Förster in der Nähe von Rosenheim. Es ist das Wetter, das ihn begeistert. „Die Natur gibt uns viele Botschaften“, sagt er, „wir müssen sie nur biologisch hinterfragen.“ Der Förster verbündet sich daher mit Bäumen, Blättern und Blüten. Als verlässlichen Helfer entdeckte er vor ein paar Jahren den Löwenzahn. Er verrät ihm, wann es regnet. Anders als viele Blumen schließe er die Blüten schon, wenn die Sonne noch scheint. Obwohl ihn seine botanischen Gehilfen nur kurzfristig informieren, hat Luckas für diesen Sommer ein „schlechtes Gefühl“. Der schöne April machte ihn misstrauisch. „Wenn der Sommer gut werden soll, muss der April eigentlich unbeständig sein.“
Wenn Hunde stinken und Ameisen fliehen
Bernhard Michels versteht, was die Tiere sagen – obwohl sie nicht mit ihm sprechen. In seinem Heimatdorf zwischen Kassel und Paderborn beobachtet er sie seit über 30 Jahren. Er hat gelernt: Über das Wetter sprechen sie erstaunlich oft – und erstaunlich früh.
Die Tiere verraten ihm, wie sich das Wetter verändert. Wenn ein Hund die Fresslust verliert und sein Fell zu stinken anfängt, erwartet Michels Regen. „Das liegt daran, dass die Luftfeuchtigkeit zunimmt.“ Wenn eine Katze sich gerne streicheln lässt, deutet das auf eine trockene Kälte hin. Ihr Fell lade sich dann sozusagen elektronisch auf.
Eigentlich arbeitet Michels, 58, als Krankenpfleger. Nebenbei hat er mehrere Bücher geschrieben, die das Wetter mit der Natur und den Tieren in Zusammenhang bringen. Manche Geschichten fanden sich vor seiner Haustür. Wenn sich auf der Terrasse eine Ameisenstraße bildet, droht Unwetter. Wenn die Nacktschnecken mitten am Tag auf den Wegen kriechen, wird es regnen. „Die Luftfeuchtigkeit nimmt dann zu“, sagt Michels, „es wird schwül.“
Im Zeichen der Königskerze
Wie man aus der Natur das Wetter abliest, weiß auch Sepp Haslinger aus Benediktbeuern im Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Der ehemalige Hüttenwirt sagt seit vielen Jahren das Wetter und die Schneelage in der kalten Jahreszeit anhand der Königskerze voraus – und gibt sein Wissen auch gerne weiter. „Jeder könnte das Wetter selber ablesen“, sagt Haslinger. „Aber nicht jede Art der Königskerze ist dafür geeignet.“
Nur die kleinblütige Königskerze (vebascum thapsus) gibt einen Ausblick auf das Wetter. „Die wird bis zu zwei Meter hoch“, erklärt er. Mitte August betrachtet der Naturdeuter dann den Blütenstand seiner Wetterkerze. Bleiben die Blüten geschlossen, gibt es keinen Schnee. Eine Prophezeiung für den Sommer kann die Wetterkerze nicht geben. „Zurzeit ist nichts von der Pflanze zu sehen, die wächst erst in den nächsten Wochen.“
Der Mann, der an Mauselöchern riecht
Es gibt ein Video im Internet, das zeigt den Schweizer Martin Holdener vor einem Mauseloch. Er kniet sich hin, tastet das Loch mit dem Zeigefinger ab, dann streckt er seine Nase hinein. Er atmet tief ein, verzieht das Gesicht, schüttelt sich und läuft wieder weg. Wenn Holdener, 56, das Wetter vorhersagt, darf die Show nicht fehlen, der zottelige Bart, der Hut. In seiner Heimat nennen sie ihn „Muser“, den Mausejäger. In dieser Rolle hat er sich dem Verein Innerschwyzer Meteorologen angeschlossen. Dort hat er sich mit Kollegen wie dem „Tannzäpfler“ und dem „Naturmenschen“ verbündet. Wenn über Wetter diskutiert wird, werden sie gefragt. Nicht nur in der Schweiz, sondern auf der ganzen Welt.
Man muss freilich nicht alles ernst nehmen, was Holdener macht. An der Sache mit den Mäusen ist aber schon etwas dran. Er hat den Spitznamen „Mausejäger“ von seinem Vater übernommen, der früher von den Bauern damit beauftragt wurde, die Mäuse auf ihren Höfen zu fangen.
Martin Holdener ist mit der Mäusejagd aufgewachsen – und ihm fiel auf, dass der Erfolg der Jagd auch vom Wetter abhängt. Liefen die Mäuse schnell in die Fallen, folgte oft ein Unwetter. Sie waren aufgeschreckt. Hielt der Sonnenschein, waren die Mäuse träge. In die Fallen tappten sie dann nur selten.
Obwohl Holdener das Wetter in einem Bergdorf in der Schweiz vorhersagt, glaubt er, dass seine Prognosen auch in Bayern gelten. Weil die Temperaturunterschiede groß waren, vermutet er einen „wechselhaften Sommer“. Es heißt, dass die Innerschwyzer Meteorologen in 80 Prozent der Fälle richtig liegen. Der Supercomputer in Offenbach schafft bei langfristigen Prognosen 70 Prozent.