Vertrauensfrage, Rücktritt, Neuwahlen?

von Redaktion

Eskaliert der GroKo-Streit endgültig, gibt es verschiedene Szenarien – ein Überblick über die rechtlichen Grundlagen und Hürden

München – Regierungskrisen sind immer auch die Stunde der Propheten. Und so geistern am Donnerstag verschiedene Vorhersagen für die kommenden Wochen durch die Welt. Der Berliner Flurfunk raunt von einer Vertrauensfrage, die Angela Merkel noch vor der Sommerpause stellen könnte – wenn der Asyl-Streit zwischen ihr und der CSU final eskalieren sollte. Ein Überblick über denkbare Szenarien:

-Vertrauensfrage

Das Grundgesetz sieht vor, dass ein amtierender Bundeskanzler den Bundestag bitten kann, ihm das Vertrauen auszusprechen. Der Antrag muss zwei Tage vor der Abstimmung eingereicht werden. Findet er keine Mehrheit unter den Abgeordneten im Parlament – versagt also die Regierungsmehrheit die Gefolgschaft – kann es zu einer Auflösung des Bundestags und Neuwahlen kommen. Wichtig: Dazu braucht es die Zustimmung des Bundespräsidenten, die dieser aber auch verweigern kann. Und: Die Abstimmung über die Vertrauensfrage im Bundestag erfolgt in der Regel per namentlicher Abstimmung, auch wenn das nicht in der Geschäftsordnung festgelegt ist.

In der Geschichte der Bundesrepublik wurde die Vertrauensfrage allerdings auch schon mit einer anderen Intention eingesetzt – nämlich als inszenierte und gewollte Niederlage. Zuletzt sorgte Gerhard Schröder (SPD) im Juli 2005 auf diese Art für Neuwahlen – die er dann gegen die damalige wie heutige CDU-Chefin Merkel verlor. Gedacht ist das Instrument allerdings anders – als disziplinierendes Instrument für die Regierung, um ihre Leute auf Linie zu bringen.

-Misstrauensvotum

Die zweite Möglichkeit, eine Kanzlerschaft in der laufenden Legislatur zu beenden, ist das sogenannte konstruktive Misstrauensvotum. Hierbei muss sich mehr als die Hälfte der Abgeordneten über einen Kanzlernachfolger verständigen und diesen wählen. Das Attribut „konstruktiv“ kommt dabei nicht von ungefähr. Denn es ist in Deutschland nicht möglich, dem Bundeskanzler das Misstrauen auszusprechen, ohne gleichzeitig einen Nachfolger zu wählen.

Seit 1949 gab es zweimal ein solches Votum. 1972 versuchte die CDU auf diese Art, den SPD-Kanzler Willy Brandt durch ihren Kandidaten Rainer Barzel zu ersetzen. Das klappte denkbar knapp nicht – zwei Stimmen fehlten. 1982 konnte Helmut Kohl dagegen durch ein von weiten Teilen der FDP unterstütztes Misstrauensvotum den bis dahin amtierenden Brandt-Nachfolger Helmut Schmidt stürzen.

Ausgeschlossen ist ein Szenario, das am Mittwoch durch die sozialen Netzwerke geistert. Die These mancher Nutzer: Die CSU könne gemeinsam mit Linken, Grünen, AfD und FDP ein Misstrauensvotum gegen Merkel auf den Weg bringen. Das ist nicht nur aus politischer Sicht Quatsch – sondern wäre auch mathematisch nicht möglich.

Weil sich zudem der Bundestag nicht selbst auflösen kann, liefe jeder Weg zu Neuwahlen in der aktuellen Lage immer über Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Der hat freilich schon nach den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen gezeigt, dass er nicht bereit ist, das Parlament ohne Weiteres aufzulösen.

-Rücktritt

Letzte Möglichkeit: Ein Kanzler kann beim Bundespräsidenten seinen Rücktritt einreichen. Dann müsste der Bundespräsident dem Parlament einen Nachfolgevorschlag unterbreiten. Bis zur Wahl des neuen Kanzlers könnte er einen geschäftsführenden Bundeskanzler ernennen. M. Heim

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