„Der Mensch hat einen unglaublichen Überlebenswillen“

von Redaktion

Florian Huber aus Lenggries ist erfahrener Höhlentaucher – beinahe wäre er zu den Eingeschlossenen nach Thailand geflogen

Lenggries – Als Forschungstaucher und Unterwasserarchäologe hat Florian Huber schon verschiedenste Höhlen per Tauchgang erkundet. Wie der 42-jährige Lenggrieser, der heute in Kiel lebt, die Lage der eingeschlossenen Jungen einschätzt, erklärt er im Interview.

-Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie vom dem Vorfall in Thailand hörten?

Als Taucher bin ich in verschiedenen Internetforen unterwegs und habe bereits davon erfahren, bevor das Thema medial so präsent wurde. Als Höhlentaucher weiß ich, wie es sich anfühlt, in der Tiefe zu arbeiten. Wenn man unfreiwillig in so eine Situation gerät, ist das natürlich sehr schlimm. Ich bin froh, dass die Gruppe gefunden wurde. Der dramatische Rettungsakt steht jetzt aber noch bevor.

-Welche Rettungsmaßnahme ist aktuell am realistischsten?

Experten sehen es wohl momentan als beste Lösung an, die Kinder tauchen zu lassen. Von oben in die Höhle zu bohren ist sehr kompliziert: Man muss erst einmal lokalisieren, wo die Gruppe eingeschlossen ist. Unter Wasser und in solchen Höhlensystemen funktionieren keine GPS-Geräte. Wenn die Jugendlichen aus der Höhle heraus tauchen, wird es sich nicht um einen kompletten Tauchgang handeln, sondern um mehrere Abschnitte, in denen die Gruppe durchs Wasser muss.

– Wo liegt dabei die größte Herausforderung?

Das Problem ist nicht, dass das Wasser besonders tief oder kalt ist. Aber für die Jungen, die ausgehungert und in Panik sind, ist das absolut ungewohnt. Sie bekommen eine Maske auf den Kopf gesetzt, müssen durch einen Atemregler atmen und dann unter Wasser blind jemandem folgen. Bevor man sich ans Höhlentauchen wagt, lernt man normalerweise in vielen Tauchgängen das richtige Vorgehen.

– Also ist es vor allem eine psychische Herausforderung?

Die Jugendlichen brauchen auf jeden Fall kompetente Männer und Frauen, die ihnen Mut machen und das Vorgehen gut erklären können. Aber ich denke, man kann der Gruppe einiges zutrauen. Das sind Fußballer, sportliche Kids, die das schaffen. Man sollte auch nicht unterschätzen, dass der Mensch einen unglaublichen Überlebenswillen hat. Keiner wird sagen: Nein, das mache ich nicht.

– Waren Sie selbst als Taucher schon einmal in einer gefährlichen Situation?

Es gibt immer wieder einmal brenzlige Momente. Aber als Höhlentaucher bereitet man sich sehr gut vor. Bei dem Unglück in Thailand geht es aber nicht um einen Tauchunfall, sondern um Menschen, die unerwartet in einer Höhle eingeschlossen worden sind und jetzt keine andere Wahl haben, als zu tauchen.

-Ist es als Tourist generell gefährlich, Höhlen zu besichtigen?

Schauhöhlen, die in Deutschland zugänglich sind, sind komplett abgesichert. Wenn starke Regenfälle erwartet werden, bleiben sie geschlossen. Ähnlich wie in der Region zum Beispiel die Partnachklamm. Auch bei uns im Alpenbereich gibt es ein paar kleinere Höhlen, das ist alles Kalksteingebirge. In Thailand sind die Maßstäbe natürlich ganz andere. Ich würde aber generell davon abraten, in unerforschte Höhlen zu gehen, wenn man nicht dafür ausgebildet ist.

– Sollte man im schlimmsten Fall doch nicht aus einer Höhle herauskommen: Könnte man irgendwie auf sich aufmerksam machen?

Eigentlich kann man nichts machen, außer zu warten, zu hoffen und sich vom Wasser fernzuhalten. Ohne Lichtquelle ist es in Höhlen so dunkel, dass man nicht einmal die Hand vor Augen sieht. Da verliert man jegliches Zeitgefühl und weiß nicht einmal, ob man jetzt fünf Stunden oder fünf Tage eingeschlossen ist.

-Könnten Sie sich vorstellen, selbst an einer Rettungsaktion wie der in Thailand teilzunehmen?

Ich habe tatsächlich darüber nachgedacht, hinzufliegen und meine Hilfe anzubieten. Aber mittlerweile sind genügend kompetente Menschen vor Ort. Gebraucht werden nicht 50 verschiedene Höhlentaucher, sondern eine kleine Gruppe, die gezielt und schnell vorgeht. Vor den Beteiligten ziehe ich meinen Hut: Die Taucher sind von morgens bis abends in dem feuchten Milieu unterwegs, die Sicht ist schlecht und es ist modrig und matschig. Das ist auch für das Rettungsteam extrem stressig.

Interview: Marion Neumann

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