München – Ein Brückenunglück wie in Genua ist für Ingenieure in Deutschland schwer vorstellbar. Das heißt aber nicht, dass mit Autobahnbrücken und der Straßeninfrastruktur insgesamt alles in Ordnung wäre.
-Wie ist der Zustand von Brücken in Deutschland – vor allem an Autobahnen?
Die 39 500 Brücken an Autobahnen und Bundesstraßen in Deutschland müssen laut Bundesverkehrsministerium regelmäßig zum „Brücken-TÜV“. Ingenieure machen jährliche Besichtigungen, alle drei Jahre eine Prüfung und alle sechs Jahre eine Hauptprüfung. An Autobahnen gilt ihr Zustand jedoch nur bei rund 10 Prozent als gut oder sehr gut. Der größte Teil wird mit befriedigend oder noch ausreichend eingestuft. 12 Prozent sind offiziell mit „nicht ausreichend“ bewertet, 2 Prozent erhielten sogar ein „ungenügend“. Letzteres bedeute aber keine Einsturzgefahr: „Ungenügend“ könne bedeuten, dass Stäbe eines Geländers fehlen oder Beton abgeplatzt ist.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hält einen Vergleich von deutschen und ausländischen Brücken für unpassend. „Was in Deutschland als marode oder nicht ausreichend gilt, ist anderswo in einem guten Zustand eingestuft“, sagt er.
-Gibt es regionale Unterschiede?
Nach Angaben der Landesstraßenbaubehörden gibt es beim Zustand der Brücken einen Ost-West-Unterschied. Die meisten Schäden sind im Saarland und in Hamburg bekannt, die wenigsten in Thüringen und Sachsen – ein Ergebnis des Aufbau Ost. Laut ADAC gilt das aber nicht für kommunale Brücken. Hier bestehe bundesweit dringend Handlungsbedarf.
– Wie steht es um die bayerische Brücken?
Viele Brücken sind aus besonders anfälligem Spannbeton wie die Münchner Donnersbergerbrücke von 1972, die zuletzt 2012 saniert wurde. In Augsburg stürzte 2016 die Ackermann-Brücke ein, die abgerissen werden sollte. Es gab zwei Schwerverletzte. Vor zwei Jahren stürzte die im Bau befindliche neue Schraudenbachbrücke an der A7 bei Schweinfurt ein, es gab einen Toten und sieben Verletzte. Auch im Raum München sind viele Brücken dringend sanierungsbedürftig, mehrere Millionen Euro müssen heuer und im kommenden Jahr in deren Sanierung investiert werden.
-Was sind die Gründe für Mängel?
Viele Brücken sind 40 bis 60 Jahre alt, sagt Manfred Tiedemann, Geschäftsführer des Bundesvereinigung der Prüfingenieure. Vor allem bei Spannbetonbrücken verschlechtere sich mit dem Alter das Material. Darüber hinaus habe die Belastung von Brücken stark zugenommen: Seit 1980 verfünffachte sich allein die Gütertransportleistung auf der Straße.
Johannes Welte mit dpa