Kreuth – Georg Floßmann kann sich noch gut an das Jahr 1968 erinnern – und an die Geburtsstunde des Rottacher Rosstags. Der Schorsch war damals Mitte 20 und arbeitete für den Herzog in Wildbad Kreuth. „Auf der Alm, im Holz und bei den Rössern“, erzählt er. Auch mit dem Böck Thomas war er gut bekannt. Und so kam es, dass der heute 76-Jährige schon bei der Rosstag-Premiere vor 50 Jahren auf dem Kutschbock saß und den Bierwagen der Tegernseer Brauerei mit den stolzen Rössern lenkte. Viele Einheimische hätten den Rosstag damals als „Kasperltheater“ belächelt, erinnert sich der Mann mit dem langen, weißen Rauschebart. Dass sich daraus eine jahrzehntelange Tradition entwickeln würde – wer hätte das zu diesem Zeitpunkt geahnt?
Zu verdanken ist der Rosstag der etwas kuriosen Tatsache, dass dem Erfinder Thomas Böck seinerzeit die Teilnahme an der Kreuther Leonhardifahrt verwehrt wurde. „Damals waren nur Tafel- und Truhenwagen üblich“, weiß Rottachs Bürgermeister Christian Köck. Der Böck Thomas aber kam mit einem Einspänner daher. Nachdem er die Abfuhr kassiert hatte, war der Rottacher fest entschlossen, ein eigenes Rosserer-Fest auf die Beine zu stellen. „Er war unheimlich rührig“, berichtet sein damaliger Weggefährte Floßmann. Böck mobilisierte Pferdefreunde aus der ganzen Region – und konnte so schon vor 50 Jahren ein stolzes Teilnehmerfeld präsentieren. Jahr für Jahr trommelte der als „Rossnarrischer vom Tegernsee“ betitelte Organisator daraufhin Fuhrleute aus Nah und Fern am Tegernsee zusammen, bis er 2007 im Alter von 88 Jahren starb. Seither führt die Gemeinde die Tradition des Rosstags fort.
Und das tut sie mit großer Beständigkeit. Nur ganze zwei Mal musste der Rottacher Rosstag in den vergangenen 50 Jahren abgesagt werden. Georg Floßmann war immer mit dabei. Anfangs fuhr er mit fremden Pferden mit, seit 1972 spannt er die eigenen Kaltblüter vor den mit Hopfen geschmückten und mit einem großen Bierfassl beladenen Brauerei-Wagen.
Schon einmal hat sich der Kreuther dabei ein denkwürdiges Jubiläum beschert: Zum 40-jährigen Bestehen des Rosstags erfüllte sich Floßmann einen Traum und beteiligte sich erstmals mit einem Zehnspänner am Umzug und Schaufahren der Fuhrleute. Zehn eigene Rösser vor dem Bierwagen, eigenes Geschirr und eigenes Zubehör – noch heute leuchten die Augen des Rosstag-Veterans, wenn er sich an dieses Ereignis zurückerinnert. „Danach haben mir acht Tage lang die Arme wehgetan“, erzählt er und schmunzelt. Damals war Floßmann mit seinem Zehnerzug allein auf weiter Flur. Wenn nun am Sonntag der Rosstag seinen 50. Geburtstag feiert, sind es insgesamt vier Zehnerzüge, die das Publikum in Staunen versetzen werden.
Überhaupt werden es heuer so viele Teilnehmer sein wie noch nie, freut sich Mitorganisatorin Claudia Maier von der Tourist-Info in Rottach-Egern. „Wir haben schon 156 Nummern vergeben“, sagt sie. Neben den Zehnerzügen beteiligen sich unter anderem auch vier Brauereigespanne, die Bundeswehr-Tragtierkompanie der Gebirgsjägerbrigade 23 aus Bad Reichenhall und zwei Mannschaften vom Oswald-von-Wolkenstein-Ritt in Kastelruth. Zum Jubiläum, da ist Claudia Maier überzeugt, wollen die Rosserer aus der Umgebung besonders stark aufmarschieren.
Und auch für Floßmann ist es Ehrensache, bei der Jubiläums-Auflage mitzufahren. Allerdings werden es heuer nicht zehn, sondern nur vier Rösser sein, die er vor den Brauerei-Wagen spannt: den „Max“ und den „Moritz“ vorne, dahinter „Pauli“ und „Sterndl“. Erst kurz vorher, nämlich am Freitag, holt der Kreuther seine Kaltblüter dafür eigens von der Alm, wo sie derzeit den Sommer genießen. Schon einige Male hat der 76-Jährige in der Vergangenheit mit dem Gedanken gespielt, seinen Rosstag-Job endlich an den Nagel zu hängen, wirklich ernst war es ihm damit aber nie. Denn den Moment, wenn er im vorderen Drittel des Festzugs mit seinem Gespann die Seestraße entlang fährt und die vielen Besucher applaudieren, genießt der Kreuther jedes Jahr aufs Neue: „Des is scho wirklich schee.“