ZUm Tode John McCains

Ein Kämpfer und Moralist

von Redaktion

Von Friedemann Diederichs

Washington – Was für den Beobachter im Gedächtnis bleibt, wenn er an den am Samstag im Alter von 81 Jahren verstorbenen US-Senator und Ex-Präsidentschaftsbewerber John McCain zurück denkt, sind persönlich erlebte Szenen.

Wie diese aus der Endphase des Wahlkampfs 2008, als der Republikaner zum Stimmenfang auf einer Farm im Süd-Bundesstaat South Carolina halt macht. Nur einige Dutzend Menschen sind gekommen, die das Barbecue-Buffet in der Scheune mehr interessiert als der Kandidat. McCain weiß, dass er den Umfragen zufolge in wenigen Wochen so gut wie keine Chance gegen den jungen Demokraten Barack Obama haben wird, der soviel Euphorie im Land entfacht hat. Und doch hält McCain seine Rede auf einem schnell zusammen gezimmerten Podest mit Energie und Nachdruck. 30 Minuten lang. Er nimmt sich anschließend Zeit, um mit Anwesenden und dem Korrespondenten aus Deutschland zu reden – was gewöhnlich nur wenige US-Politiker tun. Er ist jovial, witzig, geduldig, nicht einen Hauch arrogant. Ein Vollprofi und später für die „Grand Old Party“ oft unbequemer Parteisoldat, den auch die sich abzeichnende Niederlage – gefördert von der unglücklichen Auswahl von Sarah Palin als möglicher Vizepräsidentin – nicht aus der Fassung bringen kann.

Mit dieser Einstellung hat McCain auch sein letztes Jahr gelebt, das vom erneuten Kampf gegen einen übermächtigen Gegner – ein Glioblastom, einen der bösartigsten Gehirntumore – gekennzeichnet war. Im Dienst der Partei und des Landes bis zuletzt. Und ohne Rücksicht auf die Gefühle anderer, schon gar nicht des Präsidenten.

McCain, der es zu sechs Amtszeiten im Senat für den Bundesstaat Arizona brachte, spielte eine maßgebliche Rolle dabei, den Versuch der Republikaner zu torpedieren, Barack Obamas Gesundheitsreform abzuschaffen. Donald Trump, der seinen Wählern das Ende von „Obamacare“ versprochen hatte, tobte – und verzieh dem schwerkranken Parteifreund, der sich politisch nie unter Druck setzten ließ, dies nicht. Als McCains Familie letzten Freitag verkündete, der Senator habe die Behandlung seiner Erkrankung einstellen lassen, meldeten sich führende Politiker mit Worten der Bestürzung. Doch im Weißen Haus herrschte Schweigen. Auch jetzt, nach dem Tod McCains, gab es lediglich einen dürren Tweet von Trump mit zwei kurzen Sätzen. Die Familie des Senators hatte zuvor mitteilen lassen, der Präsident sei beim Begräbnis unerwünscht. Das wolle auch der Verstorbene.

Dass McCain in seiner langen Karriere als Volksvertreter und Präsidentschaftskandidat Konflikten nicht aus dem Weg ging und selbst schmutzigste Attacken – wie 1999, als ihn Gegner im Vorwahlkampf der Konservativen fälschlicherweise beschuldigten, ein uneheliches Kind mit einer Schwarzen gezeugt zu haben – überstand, lag wohl auch an seiner Vergangenheit als Militärangehöriger. 1967, als McCain eine Mission als Bomberpilot über Vietnam flog, wurde seine Maschine abgeschossen. Er überlebte und wurde fünfeinhalb Jahre in Haft gehalten, gefoltert und immer wieder verhört. Erst 1973 konnte er in die USA zurückkehren.

McCains Dienst fürs Vaterland wurde 2016 kurz zum Reizthema bei den Vorwahlen der Republikaner, als der spätere Sieger Trump den Status von McCain als Kriegsheld in Frage stellte – und provozierend formulierte: Er möge keine Helden, die abgeschossen werden. Entschuldigt hat sich der US-Präsident für diese Entgleisung nie.

McCain habe immer an das Prinzip fundamentaler Fairness geglaubt, sagte die Demokratin Hillary Clinton über den Verstorbenen. Das zeigte sich auch im Wahlkampf gegen Obama, als in einer TV-Bürgerfragestunde mit McCain eine Republikanerin vor Millionen Zuschauern sagte: „Ich traue Obama nicht. Ich habe über ihn gelesen, und er ist ein Araber.“ McCain nahm ihr sofort das Mikrofon aus der Hand – und verteidigte in einem mittlerweile legendären Moment seinen Gegner: „Nein. Er ist ein anständiger Familienvater. Ein Bürger, mit dem ich Meinungsverschiedenheiten bei fundamentalen Themen habe. Und das ist das Prinzip einer Wahlkampagne.“

Auch solche Augenblicke werden von einem kämpferischen Vollblut-Politiker in Erinnerung bleiben, der durch seine regelmäßige Teilnahme an der Münchner Sicherheitskonferenz auch in Deutschland Profil als überzeugter Transatlantiker gewonnen hatte. Im Februar dieses Jahres kam allerdings nur seine Frau Cindy für Grußworte, die Ärzte hatten McCain von der Reise abgeraten. Aufgrund seiner eigenen Erfahrungen in Gefangenschaft, das sagte er auch in München, lehne er die in der Ära George W. Bush so populären „verbesserten Befragungsmethoden“ von Terrorverdächtigen wie das folterähnliche „Waterboarding“ energisch ab.

In dieser Frage ließ sich der Vater von sieben Kindern wie so oft vom Moral-Faktor leiten. Eine Einstellung, die ihn so deutlich von jenem Mann, der derzeit im Weißen Haus sitzt, unterschieden hat.

Artikel 2 von 5