USA

Ein Blick in die Seele der Trump-Anhänger

von Redaktion

von Friedemann Diederichs

New York/Washington – Ihre knallrote „Macht-Amerika-wieder-groß“-Baseballkappe, die sie eindeutig als Trump-Anhängerin identifiziert hätte, wollte Monica Pompeo für das Treffen in einer Pizzeria nicht aufsetzen. Stattdessen hängt ein kleines Abzeichen mit der US-Flagge an ihrer Jacke. Man müsse vorsichtig sein in diesen Zeiten, sagt die 55-jährige Verlagsmitarbeiterin. Denn die Zeiten seien nicht leicht für jene Bürger, die den derzeit so unter Beschuss geratenen US-Präsidenten öffentlich weiter unterstützen. Reden – das wollen viele schon gar nicht.

Bei der Suche nach Gesprächswilligen gibt es viele Körbe. Wie von Judy, die zunächst nur ihren Vornamen preisgeben will und dann eine Verabredung absagt. Sie sei wohl zu leichtfertig gewesen, entschuldigt sie sich. „Ich kann in diesem Klima nicht riskieren, mich als Trump-Wählerin zu offenbaren.“

Im politisch tief gespaltenen Amerika des Jahres 2018 ist jedoch Monica Pompeo auch durch die Aussicht einer gesellschaftlichen Ächtung nicht zu beeindrucken. Sie denkt, lebt und liebt Trump – und verkörpert jene Hardcore-Fans, die für jede Negativschlagzeile eine Erklärung finden, die ihr Idol weiter gut aussehen lässt. Bei einem Stück Salami-Ananas-Pizza berichtet die 55-Jährige von der Zeit des Wahlkampfs, die sie gegen alle Anfeindungen abgehärtet hat.

Sie war wie Abertausende im ganzen Land eine Freiwillige der Trump-Kampagne. Und sie hat schon damals gespürt, was es heißt, für einen Kandidaten zu sein, dessen Positionen – vom Mauerbau an der Grenze zu Mexiko bis zur wirtschaftlichen Abschottung – einen maximalen Erregungsfaktor haben.

„An der Uni haben mir Studenten meine Trump-Werbezettel aus den Händen gerissen, die Papiere verbrannt und dann beerdigt. Von Professoren gab es den Mittelfinger“, erinnert sie sich. Vor einem Bio-Lebensmittelladen wurden ihre Schilder von einer Angestellten zerfetzt, die ihr angedroht habe: „Ich schlage dir das Gesicht blutig.“ Und an einer Straßenkreuzung habe ihr ein Autofahrer im Vorbeifahren einen vollen Getränkebecher ins Gesicht geschüttet.

Aggressionen und gesellschaftliche Isolation sind für Anhänger von Donald Trump, die reden wollen, keine Seltenheit. Monica Pompeos Familie hat sich von ihr abgewandt, als sie die scharfe Einwanderungspolitik verteidigte und feststellte, die so umstrittene Trennung von Migranten-Familien nach dem illegalen Grenzübertritt habe es doch schon unter Barack Obama gegeben. Oder als sie konstatierte: „Die Mauer würde ich notfalls selbst bauen.“

Die Mutter zweier Kinder sieht sich als praktizierende Christin. Wer sie auf den humanitären Aspekt der Zuwanderungsdebatte anspricht, bekommt die Erklärung: „Warum sollen wir denn allen Mexikanern helfen?“ Auch 2020 will sie wieder für Trump stimmen, trotz der jüngsten „Schuldig“-Verfahren gegen die früheren Trump-Helfer Michael Cohen und Paul Manafort – und der möglicherweise illegalen Schweigegeld-Zahlungen, die Trump in Auftrag gegeben haben soll. Seine persönlichen Defizite wie das Verhalten gegenüber Frauen seien nichts Neues, sagt sie, immerhin liefere Trump Resultate und nicht nur Versprechen. Wie auf dem Arbeitsmarkt. Oder mit seiner Initiative gegenüber Nordkorea. „Viel zu lange hat es das nicht gegeben, dass Amerika an erster Stelle kam,“ sagt Pompeo.

Doch gerade dies ist erklärten Trump-Gegnern wie Rox Aguilar ein Dorn im Auge. Die alleinerziehende Mutter eines zehnjährigen Sohnes lebt im konservativen Texas, wo der Präsident immer noch viele Anhänger hat. Die Juristin aus San Antonio fürchtet vor allem den Trump-Effekt: „Wir könnten als ein isoliertes Land enden, das weltweit keine Alliierten mehr hat.“

Wer wie seine Anhänger stets nur auf die Arbeitslosenquote oder die internationale Lastenverteilung schiele, sehe einfach das große Ganze nicht. Für sie ist ein typisches Indiz für den tiefen Riss im Land, wenn Freunde, die Trump unterstützen, ihr ungeniert raten: Wenn du ihn nicht magst, verlass doch das Land. „Warum sollte ich gehen“, fragt die Frau, „nur weil ich gegen den Präsidenten bin?“

Szenenwechsel von Texas ins liberale New York. Im „Big Apple“ müsste der 38-jährige Universitätsangestellte Neil Gouveia eigentlich der Trump-Gegner par excellence sein. Er ist dunkelhäutig, stammt aus dem südamerikanischen Guyana. Er ist ein Migrant, den seine Eltern im Alter von sieben Jahren in die USA mitbrachten. „Auf legalem Weg“, wie er betont. Er arbeitet im Uni-Bildungssystem, wo es verpönt ist, alles andere als liberal zu sein. Und er ist homosexuell.

Und doch zählt er zu jenen fast 62 Millionen US-Bürgern, die dem ebenfalls aus New York stammenden Trump 2016 die Stimme gaben – und der es aller Skandalschlagzeilen zum Trotz wieder tun will. Auch von ihm haben sich, weil er aus seinen konservativen Sympathien keinen Hehl macht, die meisten liberalen Freunde abgewandt. Das hat ihn zwar geschmerzt, aber nicht bekehrt.

Neil Gouveia will den Grund dafür kennen, warum die Debatte um den Präsidenten so erbittert geführt wird und warum der die Lager trennende Graben so tief geworden ist: „Viele Menschen sind nur deshalb gegen Trump, weil die Mainstream-Medien es ihnen vorgeben“, sagt er. Gouveia spricht sogar von einer „Gehirnwäsche“ – und dem Unwillen der Menschen, Fakten zu sehen.

Wie beispielsweise in Sachen Wirtschaftslage. Derzeit gebe es die niedrigste Arbeitslosenquote unter Schwarzen und Latinos in der Geschichte des Landes, „aber darüber spricht niemand“. Oder die Einwanderungsdebatte. Die Trennung von Erwachsenen und Kindern war für Gouveia ein notwendiger Schritt. Er erklärt es so: Es sei eine Vorsichtsmaßnahme gewesen, um Menschenschmuggel vorzubeugen. Denn viele Migranten würden an der Grenze ohne gültige Papiere auftauchen, die belegen könnten, dass die Kinder zu ihnen gehören. Zudem würden die Kinder ja gut behandelt. „Viele sehen zum ersten Mal einen Zahnarzt. Sie bekommen Kleidung, Nahrung und Videospiele.“ Und wie Monica Pompeo verweist Neil Gouveia darauf, dass die Familientrennung bereits in der Obama-Ära begonnen habe – aber damals nicht wahrgenommen worden sei, weil es nicht in die politische Agenda passte.

Es sind Argumente, die weiter tief unter den Republikanern verwurzelt sind, von denen einer Umfrage zufolge immer noch fast 90 Prozent mit der Arbeit des Präsidenten zufrieden sind und sich von der Hoffnung leiten lassen, dass er in Washington „den Sumpf trockenlegt“, wie er es versprach. Dass Trump dämonisiert werde, dass ihm die Opposition eine enge Kollaboration mit Russland im Vorfeld der letzten Wahl unterstellt, liegt nach Gouveias Ansicht am Ärger der Demokraten über die nicht absehbare Niederlage Hillary Clintons. „Millionen Bürger haben für Trump gestimmt, und die Russen haben sie nicht gezwungen, dies zu tun“, sagt er. Und er glaubt auch: Die Ermittlungen würden mit einem Erfolg für den Präsidenten enden.

Die derzeit mit so viel Hass begleitete Debatte in den beiden verfeindeten politischen Lagern lastet Gouveia nicht Trump an. „Amerika war unter Obama schon so gespalten, wie es jetzt ist“, glaubt er. Auch dies ist eine vorherrschende Ansicht unter den treuen Trump-Fans. „Die Demokraten haben die Spaltung vorangetrieben, weil sie verloren haben“, sagt Nichole Lea, eine Mitarbeiterin der US-Forstverwaltung in Kalifornien. Und, so fügt sie an: „Die Linke ist so voller Hass für das traditionelle Amerika, dass sie sich selbst zerfleischen. Und Trump ist für sie der Blitzableiter.“

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