Abensberg – Vor der Bühne im Weinzelt steht eine kleine Hilfstreppe. Drei Stufen, mehr nicht. Wer ans Mikrofon will, steigt sie aber hinauf. Ludwig Hartmann ist auf sie getreten, Katharina Schulze auch. Die zwei Spitzenkandidaten der Grünen sitzen jetzt wieder auf der Bierbank, vor ihnen steht eine Platte mit deftigem Käse, dazu zwei volle Maßkrüge. An ihnen drängelt sich Cem Özdemir vorbei. Er läuft auf die Bühne zu – und springt auf sie, ohne die Hilfstreppe. Man merkt: In ihm hat sich etwas angestaut.
In dem engen Weinzelt auf dem Gillamoos-Volksfest hat sich Özdemir eine Botschaft herausgepickt, die er nicht nur hier, in Niederbayern, verbreiten will. „Der Gegner sitzt nicht in anderen demokratischen Parteien“, sagte er – und blickt vor sich, wo die TV-Journalisten mit ihren Kameras filmen. Natürlich bringt Özdemir auch einen Söder-Witz mit („Er selber sieht sich so ein bisschen als Sonnenkönig. Markus Söder, die Sonne Frankens. Oder Markus Söder, die Dämmerung der CSU“), doch Söder sei eben trotz aller Meinungsverschiedenheiten ein Kollege, kein Feind. Über die AfD sagt er das nicht. Er nennt sie nur: „den Gegner.“
Es ist auffällig, dass die Grünen sich in diesen Tagen auch in den bayerischen Bierzelten wohlfühlen – in einer Disziplin, in der sie sich nicht immer leichtgetan haben. Vor zwei Wochen hat Robert Habeck, ihr Parteichef, in Dachau viel Lob erhalten. In Abensberg drängen sich an diesem Montag immer mehr Menschen ins Zelt, quetschen sich vorbei an den großen TV-Kameras, die Stimmung kocht schnell. Özdemir spornt das an. Er wünscht sich auch in Zukunft einen Landtag „ohne das AfD-Blau“. Seine Brille fängt einen Schweißtropfen ab. Er sagt dann: „Der Himmel ist blau, das langt.“
Die Zuhörer klatschen, jubeln, pfeifen. Es hilft natürlich, dass die meisten, die da sind, es auch mit den Grünen halten. Und der Einpeitscher wählt Themen aus, auf die seine Zuhörer sehr emotional reagieren. Vor zwei Tagen, erzählt Özdemir, sei er in Chemnitz gewesen. „Ich habe die Höckes und die anderen gesehen“, sagt er. „Die missbrauchen die Tat für ihren Zweck.“
Die Probleme des Landlebens – Nahverkehr, Breitband, Funkverbindung – schneidet Özdemir nur an. Das übernehmen andere, Schulze und Hartmann natürlich, aber auch die lokalen Grünen. Nur gehen Letztere im Bierzelt dann doch etwas unter – was aber nicht am Inhalt ihrer Reden liegt. Das Mikrofon krächzt, knattert. Das stört so sehr, dass Rosi Steinberger, die Landtagsabgeordnete, ihre Ansprache abbricht – und an die Heisl Ratzn übergibt, eine Blaskapelle.
Für diese spielt übrigens auch Abensbergs Bürgermeister Uwe Brandl, ein CSU-Politiker. Er hilft schließlich mit, die technischen Probleme zu überspielen. „Mir san immer bereit“, ruft einer der Heisl Ratzn – und stimmt das erste Lied an. christopher meltzer