München – Das Schlimmste kommt am Anfang, Natascha Kohnen hat es dann wenigstens hinter sich. Auf das 11- Prozent-Desaster der SPD wird die Spitzenkandidatin angesprochen, auf Fehler, ihre Mitschuld. „Das is ’ne harte Zahl“, seufzt sie. Dann, etwas lauter: „Was wir wirklich können, ist kämpfen!“ Und dem Rest der Frage weicht sie aus.
Themen antippen, plakativ beantworten, nicht in die Defensive kommen: Das ist die Strategie der „Elefantenrunde“ (so heißt das im TV-Jargon), die am Mittwochabend im BR über die Landespolitik diskutiert. Jede Partei sollte ihre Spitzenkandidaten schicken. Kohnen für die SPD, Katharina Schulze für die Grünen, Hubert Aiwanger für die Freien Wähler, Martin Hagen für die FDP. Zwei wollen nicht: Die CSU entsendet statt Markus Söder, der sich hier nicht auf Augenhöhe fühlt, Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer. Die AfD schickt den Bundestagsabgeordneten Martin Sichert, der zur Wahl gar nicht antritt.
Die extrem weit rechts stehende Partei überhaupt einzuladen, war der Punkt, der dem Sender das größte Bauchweh bereitet hatte. Angesichts der Umfragewerte war eine Ausladung aber kaum erklärbar. Sichert wird nun, das fällt auf, härter angegangen, öfter unterbrochen. Er gerät sofort in die Defensive, als es um die Nähe zwischen Neonazis, Pegida und AfD geht. Kohnen verlangt die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz; Sichert kontert, wenn jemand überwacht werden müsse, dann die SPD für die Finanzierung linksextremer Splittergruppen.
Die Migrationspolitik ist gleich einer der Schwerpunkte der 90-Minuten-Runde. Aiwanger klagt, dass zu wenig und zu spät Verwaltungsrichter eingestellt wurden. Sichert macht klar, dass seine AfD auch kein Bleiberecht für Auszubildende dulden mag; FDP-Mann Hagen kämpft hingegen klar für den „Spurwechsel“, um integrierte, arbeitswillige, unbescholtene Flüchtlinge im Arbeitsmarkt halten zu können. „Wir schieben die Falschen ab. So geht das nicht“, faucht auch Kohnen Kreuzer an.
Das Talkshow-Grundproblem, das Publikum zu berieseln statt zu informieren, umgeht die Sendung, die Moderatoren arbeiten zunehmend Sachthemen ab. Da werden Differenzen, unterschiedliche Modelle, erkennbar. In der Schulpolitik zum Beispiel, wo die Grüne Schulze mit Verve für eine längere gemeinsame Schulzeit wirbt: „Damit nicht in der vierten Klasse Riesendruck auf Kinder, Eltern und Lehrer ausgeübt wird.“ Aiwanger wirbt für sein Modell der komplett kostenfreien Kinderbetreuung und für bessere Bezahlung der Betreuer statt Söders Familiengeld. Auch Sichert wirft Söder eine „sinnlose Umverteilung von Steuergeld“ vor.
Beim Thema Wohnen bekommt Hagen Raum. Er verlangt einen Abbau der Anforderungen bei „Wärmedämmung, Schallschutz, übertriebenem Brandschutz“. Kohnen kann zumindest das SPD-Konzept zum „Mieten-Stopp“ abtippen. Nur in der Innen- und Grenzpolitik fasert die Runde etwas aus.
Nein, eine Kuschelrunde, wer sich am zahmsten der CSU als Partner an die Brust werfen kann, ist das nicht. Auch untereinander nicht. Hagen bringt die ansonsten sehr sicher auftretende Kohnen mit Sticheleien zur Steuerpolitik so aus dem Konzept, dass sie ihn anfaucht („Junge, Mann!“) und duzt.
Christian Deutschländer