Georg Marckmann, Professor für Medizinethik an der LMU München und Mitglied der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer, über die Widerspruchslösung und Ängste, die das Thema Organspende hervorruft.
Was halten Sie von einer Widerspruchslösung?
Ich halte sie dann für ethisch vertretbar, wenn sich jeder mit der Frage der Organspende auseinandergesetzt hat. Dies könnte man beispielsweise dadurch gewährleisten, dass jedem Menschen einmal in seinem Leben ein Informationsgespräch angeboten wird. Wichtiger erscheint mir allerdings, die Voraussetzungen für die Entnahme der Organe in den Krankenhäusern weiter zu verbessern.
Sind die Menschen heute ausreichend informiert?
Nein. Eine Befragung von uns hat ergeben, dass viele die Voraussetzungen für eine Organspende nicht kennen und auch mit dem Thema Hirntod wenig vertraut sind.
Was sollte man wissen?
Man kommt als Organspender nur infrage, wenn man eine schwerste, unumkehrbare Gehirnschädigung erlitten hat und diese auf einer Intensivstation diagnostiziert wird. Das sind nur etwa zwei bis drei Prozent aller Todesfälle. Die Organfunktionen des Patienten werden künstlich aufrechterhalten. Würden die Intensivmaßnahmen abgestellt, hörte das Herz auf zu schlagen.
Wird der Prozess des Sterbens beeinflusst?
Das wird er schon durch intensivmedizinische Maßnahmen. Aber für die Angehörigen macht eine Organentnahme einen Unterschied. Ohne Organentnahme können sie dabei sein, wenn die Maschinen abgeschaltet werden. Werden Organe entnommen, verabschieden sie sich von jemandem, bei dem Atmung und Herz-Kreislauf-Funktion noch aufrecht- erhalten werden. Nach der Organentnahme können sie dann von dem Leichnam Abschied nehmen. Die Angehörigen können mit diesem Prozess besser umgehen, wenn sie wissen, dass die Organspende ein ausdrücklicher Wunsch des Sterbenden war.
Interview: Aglaja Adam