Das Duell

von Redaktion

-Wer als Asylbewerber abgelehnt wird, muss abgeschoben werden – oder nicht?

Hartmann: Wir haben hier klare rechtsstaatliche Vorgaben. Rückführungen finden auch im grünen Baden-Württemberg statt. Wir sollten aber die Möglichkeit zum Spurwechsel schaffen. Wir haben im Handwerk 32 000 unbesetzte Lehrstellen, wir haben Fachkräftemangel in der Pflege. Ich würde Regeln schaffen, Geflüchtete, die im Arbeitsmarkt gebraucht werden, auch befristet für fünf Jahre im Land zu lassen.

Söder: Arbeitslose würden Sie abschieben?

Hartmann: Niemand, der laut Grundgesetz schutzbedürftig ist, wird aus Deutschland abgeschoben. Ich bin überzeugt: Ein Großteil der Geflüchteten würde Arbeit finden. So gelingt Integration. Das hilft dem gesamten Land.

Söder: Es ist leider nicht die Realität, dass alle Flüchtlinge bei uns Arbeit finden. Von 700 000 anerkannten Flüchtlingen in Deutschland sind nur rund 100 000 in Arbeit. 600 000 leben von Hartz IV. Man darf ja einen romantischen Ansatz haben, aber Zuwanderung ins Sozialsystem

kann nicht unser Ziel sein. Bayern wahrt die Balance aus Humanität und Ordnung. Bei Flüchtlingen, die gut integriert und in Arbeit sind, sollen unsere Behörden den Ermessensspielraum breit nutzen. Auf der anderen Seite gilt ganz klar: Wer straffällig wird, muss das Land verlassen. Die Grünen wollen ja nicht mal Gewalttäter nach Afghanistan abschieben.

Hartmann: Da sollten wir bei den Fakten bleiben.

Söder: Das tue ich immer.

Hartmann: Wir wissen beide: Wir sind in Bereichen wie Pflege auf ausländische Fachkräfte angewiesen. Wir werben mühsam welche im Ausland an, schieben aber gut integrierte Geflüchtete ab. Arbeitserlaubnisse nur zu gewähren, wenn sich zufällig ein Kommunalpolitiker oder ein Beamter dahinterklemmt, das ist für mich eine Bananenrepublik.

Söder: Sie sollten Bayerns Beamte nicht so schlechtreden.

Hartmann: Das mache ich nicht. Ich wünsche mir eine klare Vorgabe der Regierung, wer arbeiten darf.

-Herr Hartmann, Sie haben sehr über den Kreuz-Erlass geschimpft. Würden Sie Markus Söders Kreuze wieder abhängen?

Hartmann: Ich bin selbst in keiner Kirche, aber ich schätze die Werte des Christentums. Ich würde mir statt Söder-Fotos mit Kreuzen eine Staatsregierung wünschen, die diese Werte im Umgang mit den Schwächsten und Schutzsuchenden erfüllt.

Söder: Genau das erfüllen wir! Das Kreuz ist in erster Linie ein religiöses Symbol, aber auch eines unserer bayerischen Gesamtidentität. Bayern ist ein christlich geprägtes Land. Die Ehrfurcht vor Gott ist das oberste Bildungsziel in der Verfassung, auf die ich vereidigt bin. Die Barmherzigkeit, die Sie anmahnen, leben wir längst – auch im Umgang mit Flüchtlingen. Pro Jahr gibt Bayern zwei Milliarden Euro dafür aus. Kein Land hat die Herausforderungen organisatorisch und menschlich so gut beantwortet wie wir.

Hartmann: Die Bayern haben eben ein Anpacker-Gen. Während von der Staatsregierung immer nur kam: Können wir nicht, schaffen wir nicht.

-Also: Abhängen oder nicht?

Hartmann: Selbst die Kirchen haben den Kreuz-Erlass kritisiert. Ich glaube deshalb, dass eine Rücknahme dieses Erlasses die Wogen glätten würde.

Söder: Das heißt, Sie würden also Kreuze abhängen. In vielen Ländern der Welt werden Christen verfolgt und christliche Symbole zerstört. Und Sie wollen dann das Zeichen senden, Kreuze abzuhängen? Das verstehe ich nicht. Wollen Sie dann auch Gipfelkreuze entfernen?

Hartmann: Sie reden so, als würden die Kreuze in Bayerns Behörden seit Jahrhunderten hängen. Dabei wurden die erst vor ein paar Wochen von Ihnen aufgehängt, weil Sie im Wahlkampf stehen.

-Kleiner Zwischenstand – können Sie sich, Herr Söder, je vorstellen, mit den Grünen an einem Koalitionstisch zu sitzen?

Söder: Aus Respekt vor der Demokratie sollten wir die Wahl abwarten. Die letzte Umfrage war ein echter Weckruf. Ein instabiles Parlament mit Rechts- und Linksaußen wollen die Bayern nicht. Die Menschen wollen doch kein ganz anderes Land. Und vom Grünen-Programm bin ich sehr enttäuscht. Für die Modernität, die Herr Hartmann gern vermitteln würde, ist das ein extrem spießiges grünes Programm mit Tempolimit, Fahrverboten, gegen Kreuze und Grenzpolizei. Das ist alte Toni-Hofreiter-Schule. Da kann ich mir eine Zusammenarbeit nur sehr schwer vorstellen.

Hartmann: Lassen wir die alten Kamellen doch mal weg.

Söder: Kamellen? Das ist Ihr Programm!

-Also keine Koalition.

Hartmann: Es ist schwierig, die Frage jetzt schon zu beantworten. Die CSU hat ja endlich ein Wahlprogramm beschlossen, aber es ist extrem dünn. Zu vielen wirklich wichtigen Themen – Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, Zukunft der Landwirtschaft – steht nichts drin. Wir erleben gerade das größte Artensterben seit dem Aussterben der Dinosaurier, 42 Prozent der wild lebenden Säugetiere in Bayern sind in ihrer Existenz bedroht – kein Wort von der CSU. Der dritte Nationalpark – von Ihnen beerdigt…

Söder: Zu Recht.

Hartmann: …der Alpenschutz am Riedberger Horn…

Söder: Ausgeweitet!

Hartmann: Das war Verschiebemasse für Sie! Schutzgebiete müssen Schutzgebiete bleiben!

Söder: Es wäre der falsche Ansatz gewesen, gegen den Willen der Bevölkerung einen Nationalpark zu errichten.

-Ein heftiger Streitpunkt zwischen Ihnen ist die dritte Startbahn. Gibt es eine Kompromisslinie?

Söder: Die dritte Startbahn ist für Bayern ein zentrales Infrastrukturprojekt der Zukunft. Daran hängt unsere Wirtschaftskraft über 2030 hinaus. Glauben Sie, unser Wohlstand ist für immer gottgegeben? Wie naiv! Ich bin offen, über das Wann und Wie der Startbahn zu reden und über eine bessere Verkehrsanbindung auf Schiene und Straße. Aber dem Flughafen Bayern – es ist der Flughafen für ganz Bayern – die Perspektive zu verbieten, wäre ein Rückschritt. Wir fallen dann auf das Niveau kleinerer Städte zurück.

Hartmann: Da habe ich ein anderes Bild von Zukunft. Eine dritte Startbahn heizt das Ballungsgebiet München, das jetzt schon aus allen Nähten platzt, weiter an. Ich will, dass der klimaschädliche Flugverkehr nicht mehr, sondern weniger wird. Wir werden die Startbahn ohnehin nicht brauchen. Wir werden zum Beispiel weniger Inlandsflüge haben dank der neuen, schnellen Bahnstrecke nach Berlin – das macht Slots am Flughafen frei.

Söder: Die dritte Startbahn stärkt das internationale Drehkreuz. Die Bahnverbindung nach Berlin ist großartig. Aber nach New York und Schanghai wird das mit dem Zug echt schwierig. Wenn Sie sich in München auf Ihre Wohlstandsoase zurückziehen und jede Veränderung abblocken, steigt Bayern von der Champions League in eine kuschelige Regionalliga ab.

-Wäre das Nein zur Startbahn in einer Koalition unverhandelbar?

Hartmann: Wir würden in den kommenden fünf Jahren keinesfalls Fakten für den Bau der Startbahn schaffen.

-Ein heikles – grünes – Thema: Drogenpolitik. Wir versuchen eine Annäherung: Haben Sie schon mal gekifft?

Söder: Nein.

Hartmann: Ja. Was wir wollen, ist, Kleinmengen pragmatisch straffrei zu stellen. Beim Besitz von ein, zwei Gramm werden die Verfahren eh eingestellt. Warum setzen wir vorher dann den gesamten Polizei- und Justizapparat in Bewegung? Davon sollten wir unseren Staat entlasten.

Söder: Da habe ich eine fundamental andere Meinung. Es ist der falsche Ansatz, Drogen zu legalisieren. Überall, wo man das gemacht hat, führt es zu mehr Drogenkonsum. Ich bin auch gegen offizielle Fixerstuben.

Hartmann: Gegen die Fixerstuben, die die CSU München am Hauptbahnhof fordert?

Söder: Ganz klar: Ich bin gegen Fixerstuben, aber für Hilfe und medizinische Betreuung.

-Wir haben das Duell mit einer netten Frage begonnen – und enden auch damit. Was müsste passieren, damit Sie beide sich duzen?

Söder: Da ich der Ältere bin, müsste ich es ihm wohl anbieten. Das würde ihn jetzt aber nur verwirren. (lacht)

Hartmann: Das Du kann unter Politikern schon mal vorkommen – oder auch nicht. Wichtiger wäre mir ein respektvollerer Umgang im Landtag, wenn zum Beispiel die Opposition über Inhalte redet und die Reihen der CSU komplett leer sind.

Söder: Ach, Herr Hartmann – nicht jeder Zwischenruf der Grünen im Landtag erhöht das Level der demokratischen Kultur. Aber ich sage noch mal: Ich respektiere Sie und Ihre Meinung. Auch wenn sie oft nicht die meine ist.

Zusammengefasst von Christian Deutschländer und Mike Schier.

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