Für den Fürstenfeldbrucker CSU-Abgeordneten Reinhold Bocklet, 75, endete gestern eine Ära. 24 Jahre war Bocklet im Landtag, zehn Jahre Minister, davor 14 Jahre im Europaparlament. Beim Abschied warnt er vor einer Aufblähung des Parlaments und Provokationen durch die AfD.
-Sie haben gerade Ihre letzte Landtagssitzung geleitet. Kommt Wehmut auf?
Ja, sicher, wenn man zehn Jahre erster Vizepräsident des Landtags ist, geht der Abschied nicht spurlos an einem vorüber. Es ging ja zum Schluss noch einmal hoch her – ein heftiger Schlagabtausch der Abgeordneten nach der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten. Das gehört aber dazu. Erregungszustände vor einer Wahl sind normal.
-Muss ein Sitzungsleiter im Landtag Zuchtmeister sein?
Na ja, ich würde sagen, er muss potenzieller Zuchtmeister sein. Er muss auf die Einhaltung der Regeln achten, womit ich nie Probleme hatte. Gelegentliche kleine Hakeleien sind ja normal. Dass jemand die Regeln bewusst verletzte, kam aber eigentlich nie vor.
-Wie viele Ordnungsrufe und andere Strafen haben Sie verhängt?
Keine.
-Das könnte sich unter ihren Nachfolgern im neuen Landtag ändern, wenn die AfD einzieht.
Möglich. Eine gewisse Erfahrung mit der AfD habe ich aber auch schon gemacht. Es gab im vergangenen Jahr die Debatte über das bayerische Integrationsgesetz und die Leitkultur, eine Debatte von 9 Uhr vormittags bis 5 Uhr früh am nächsten Tag. Die Opposition filibusterte, verzögerte also die Verabschiedung des Gesetzes durch möglichst lange Reden, was ihr gutes Recht ist. Um 22 Uhr abends, ich hatte gerade die Sitzungsleitung übernommen, tauchten plötzlich vier Personen auf der Tribüne auf. Ungewöhnlich um diese Zeit. Und sie klatschten plötzlich Beifall, was Zuhörern nicht erlaubt ist.
-Was passierte dann?
Ich wies sie aus dem Saal – wobei sich herausstellte, dass es sich um den AfD-Landesvorstand handelte mit dem damaligen Vorsitzenden Petr Bystron an der Spitze. Sie haben sich beim Weggehen gegenüber der Polizei, wie mir die Beamten erzählten, rüde aufgeführt. Warten Sie nur, bis wir im Landtag sind – solche Sprüche. Das ist vielleicht ein kleiner Vorgeschmack auf das, was kommen kann.
-Der Einzug der AfD, möglicherweise auch der Linken, könnte zu einer Aufblähung des Parlaments führen. Von über 200 Abgeordneten ist die Rede.
Das könnte passieren, wenn sich die Umfragen bewahrheiten und als Ausgleich für Überhangmandate der CSU Ausgleichsmandate fällig werden. Dann wird’s eng.
-Wie meinen Sie das?
Im Moment haben wir 180 Abgeordnete. Von 2008 bis 2013 waren es 187 – das war kein Problem. Aber über 200? Dann müsste das Landtags-Plenum umgestaltet werden und der Landtag vorübergehend in den Senatssaal ziehen. Da sitzen die Abgeordneten dann halt wie eine große Schulklasse hintereinander. Aber das muss das neue Landtagspräsidium regeln.
-Sie sind ja ab sofort Rentner.
Nicht ganz. Das Landtagsmandat endet nach der Verfassung erst mit dem Zusammentritt des neu gewählten Landtags. Ich rechne damit, dass das der letztmögliche Termin 5. November sein wird.
-Und dann?
Dann bin ich ein freier Mann (lacht).
Das Interview führte Dirk Walter