Professor Hans Gebhardt, 67, ist Human-Geograf an der Universität Heidelberg. In der Vergangenheit forschte er zum Konfliktpotenzial von Wasser im Vorderen Orient.
Es ist heute möglich, in tiefste Tiefen Brunnen zu bohren und stark verunreinigte Abwässer wieder aufzubereiten. Kann Technik Wasser-Konflikte nicht längst entschärfen?
Die Meerwasseraufbereitung zu Trinkwasser spielt in einigen Ländern eine große Rolle, insbesondere in den Golfstaaten. Aber das ist enorm energieaufwendig. Das können sich nur Staaten leisten, die über eigene Öl-Ressourcen verfügen oder einen billigen Zugang zu entsprechenden Ressourcen haben.
Kommt es bei Dürren eher zu innenpolitischem Druck – oder ist das Konfliktpotenzial zwischen Staaten stärker?
Wenn wir auf den Vorderen Orient schauen, hat sich die ökologische Situation – zum Beispiel im Irak – in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Bis in die 1960er-Jahre war das Unterlaufgebiet von Euphrat und Tigris ein Überschwemmungsgebiet. Diese Überschwemmungsgebiete sind heute ausgetrocknet. Insofern ist da natürlich ein innerstaatliches Konfliktpotenzial entstanden. Aber relativ wichtig ist auch das Zwischenstaatliche, also die Rolle der Oberlieger vom Irak aus gesehen, also Syriens und der Türkei.
Ein Beispiel?
Als die Türkei im Zuge des Great Anatolian Project den Atatürk-Stausee geflutet hat, ist im Irak und in Syrien für einige Monate kaum mehr Wasser angekommen.
Schauen wir auf den Iran. Ist die verfehlte Wasserpolitik des Regimes schuld?
Ich bin zwei Mal über den Urmia-See geflogen. Aus der Luft sieht man große Salzfelder und Vertrocknungsgebiete. Kurz danach kommt man in der Türkei an den Vansee, und der ist weitgehend intakt. Der Vergleich zeigt, dass der Urmia-See nicht unter einer natürlichen Dürre leidet. Es ist eine menschengemachte Katastrophe.
Kann es Europa egal sein, wenn sich Konflikte um Wasser im Vorderen Orient zuspitzen?
Ein Flug von Beirut nach Paris ist eigentlich ein Katzensprung. Insofern sind natürlich Vorgänge in den Staaten des Vorderen Orients von direktem Einfluss auf das, was in Europa passiert. Das hat man im Syrienkonflikt 2015 gesehen, der massive Fluchtbewegungen auch in Richtung Europa ausgelöst hat.
Interview: Oliver Beckhoff