München – Graf Gustl ist ein Aristokrat mit kurzen Beinen und starkem Willen. Seinem Frauchen hat er mit seinen braunen Augen längst den Kopf verdreht. Seit etwas mehr als einer Woche lebt der zehn Wochen alte Kurzhaardackel bei Kabarettistin Luise Kinseher.
Die „Mama Bavaria“ als Ersatz-Dackelmama, das kommt nicht von ungefähr. Schon seit ihrer Kindheit liebt die 49-Jährige diese besondere Hunderasse. Endgültig reif für ein eigenes Zamperl war sie dann kürzlich nach dem Besuch des Dackelmuseums in Passau. „Es heißt ja immer, sich einen Dackel anzuschaffen, ist keine Vernunftsentscheidung“, sagt Kinseher und lacht. Und so war die Entscheidung schnell gefallen.
Sich als Dackel-Liebhaber zu outen, ist wieder angesagt. Vom Spießer zum Hipster: Der lang gezogene Vierbeiner hat sein Image-Problem überwunden. Er belegt wieder den zweiten Platz der beliebtesten Hunderassen in Bayern. Das freut Jürgen Bujanowski-Weber. Er ist nicht nur Dackelfreund, sondern auch Vorsitzender des Bayerischen Dachshundklubs. „Seit einigen Jahren ist die Zucht stabil“, sagt er. Rund 7000 Dackelwelpen kamen im vergangenen Jahr bundesweit zur Welt, in Bayern waren es knapp 300. Der zwischenzeitlichen Dackeldämmerung kann Bujanowski-Weber durchaus etwas Gutes abgewinnen: „Bei Modehunden besteht die Gefahr, dass sie überzüchtet werden.“
Ein Stammbaum gehört zu einem echten Rassedackel wie der Ausweis zum Menschen. Auch Graf Gustl kann damit aufwarten. Luise Kinseher hat den Welpen bei einem Züchter in Niederbayern geholt. Der Name „August von Scheibing“ steht in seinen Hundepapieren. Das war Kinseher wohl etwas zu förmlich. Auf den Namen Gustl kam sie wegen Gustl Bayrhammer, dem legendären bayerischen Volksschauspieler. Und weil sie an ihrem Dackelbaby so eine aristokratische Ausstrahlung zu erkennen glaubte, hat sie ihn eben Graf Gustl genannt.
Gustl Bayrhammer war in den 70er-Jahren nur einer von vielen Dackelnarrischen. Als Tatort-Kommissar Veigl teilte er einst Tisch, Bett und Bier mit seinem Dackel Oswald. Als das Original 1975 eines natürlichen Hundetodes starb, gab es ein großes Casting für einen würdigen Dackel-Nachfolger an der Seite des Oberinspektors.
Mit dem Dackel Waldi, seines Zeichens erstes olympisches Maskottchen überhaupt, brach 1972 eine regelrechte Dackelmanie aus – München galt als heimliche Hauptstadt der kurzbeinigen Kläffer. „Damals gab es fast 15 000 Dackelwelpen im Jahr“, weiß Bujanowski-Weber. Der Dackel, der urbayrischste Hund überhaupt? Das möchte Bujanowski-Weber nicht mit einem klaren Ja beantworten. Er selbst stammt aus dem Ruhrgebiet und verfiel vor gut 30 Jahren dem Dackel, Teckel oder Dachshund, wie die Rasse wahlweise genannt wird. „Es ist eher ein typisch deutscher Hund“, sagt er diplomatisch.
Ursprünglich ist der Dackel ein Jagdhund. Mit seinen kurzen Beinen und den knapp neun Kilo Gewicht ein „guter Stöberhund“, so Bujanowski-Weber. Die Adligen und Mächtigen schätzen ihn, am Grab von Kaiser Wilhelm II. zeugt heute noch eine Inschrift für den „treuen Dachshund Erdmann/ 1890 – 1901 / WII“ von der großen Dackel-Liebe Seiner Majestät. Bürgerliche, aber auch Künstler wie Pablo Picasso, der seinen Lump in Gemälden verewigte, verfallen dem Jäger mit der feuchten Schnauze. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird der Dackel aber auch der Hund des kleinen Mannes. Im Vorstadtidyll hat er seinen Platz neben dem Gartenzwerg und gilt spätestens in den 80er-Jahren als spießig.
Dabei sind seine Charakterzüge alles andere als angepasst. Der Dackel gilt gemeinhin als stur. Als ein Tier mit Hang zur Selbstüberschätzung. So lautet ein bekannter Spruch: „Wenn ein Dackel in den Spiegel schaut, sieht er einen Löwen.“ Wer die Zamperl nicht mag, sieht darin den Beweis, dass es sich nur um einen Hund mit gestörtem Machtgefühl handeln kann. Dackel-Liebhaber dagegen erkennen eindeutig positive Attribute, wie Stolz, Mut und Kraft.
Ihrem Graf Gustl bezeugt Kinseher ein aufgewecktes Wesen. „Er passt gut zu mir, denn er ist sehr selbstbewusst. Da kann ihm noch so ein großer Hund begegnen – den knurrt er an.“ Bleibt ihr nur zu wünschen, dass sie das Herrchen, Verzeihung, Frauchen, bleibt. Vor einem warnt Bujanowski-Weber: „Der Dackel ist ein hierarchisches Wesen. Wenn keiner das Sagen hat, übernimmt er die Führung.“
Sollte aus dem kleinen Graf Gustl aber ein Aristokrat mit gutem Benehmen werden, darf er vielleicht kurzbeinig auf die Spuren seines Namensgebers. Dann ist der Weg frei vor die Kamera, in die Sendung „Mama Bavaria“, in der Kinseher im Bayerischen Fernsehen wieder in ihre Parade-Rolle schlüpft.