Berlin – Es ist ein sensibles Wahlkampfthema: Kommen Fahrverbote für Diesel und ältere Benziner oder nicht? Mit Blick auf die bevorstehende Wahl in Hessen hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Wochenende erklärt, dass sie Fahrverbote in Frankfurt am Main für unwahrscheinlich hält: „Für den Großraum Frankfurt glauben wir, dass Fahrverbote nicht verhältnismäßig sind“, sagte sie am Wochenende ergänzend zu ihrer Erklärung, das Verhängen von Verboten per Gesetz erschweren zu wollen.
Merkel hatte dargelegt, dass bei einer nur geringfügigen Überschreitung des Grenzwerts für Stickstoffdioxid in vielen Städten bereits beschlossene Maßnahmen zur Luftverbesserung ausreichen würden – Merkel nannte in dem Zusammenhang Software-Updates für Dieselautos und Hardware-Nachrüstungen für Kleinlaster von Gewerbetreibenden, kommunale Nutzfahrzeuge und Busse. Der Bundesrat hat bereits in der vergangenen Woche die Hardware-Nachrüstungen älterer Diesel gefordert – und die Kanzlerin erklärte, sie sehe die Hersteller in der Verantwortung.
Allerdings werden Diesel-Fahrer noch eine Weile auf Nachrüstsysteme warten müssen. Hersteller wie Baumot wollen im kommenden Jahr mit ersten für Euro 5-Diesel vorgesehenen Lösungen auf den Markt kommen. Bislang liegt dem Kraftfahrtbundesamt genau ein System um den Schadstoff-Ausstoß zu senken, ein sogenannter SCR-Katalysator, zur Freigabe vor, wie das Bundesverkehrsministerium auf Anfrage mitteilte.
Und ob das System am Ende auch in Städten mit Fahrverboten einsetzbar ist, ist mehr als fraglich. Denn die Voraussetzungen dafür stehen noch überhaupt nicht fest. „Der Bund wird umgehend Anforderungen für wirksame Systeme definieren und das Kraftfahrtbundesamt (KBA) wird Genehmigungen erteilen, damit diese zeitnah auf dem Markt angeboten werden können“, heißt es im Bundesverkehrsministerium.
Doch kaum ein Hersteller hat sich bislang ernsthaft auf die Variante eingelassen, selbst und auf eigene Kosten nachzubessern. Opel und BMW beispielsweise lehnen Nachrüstungen kategorisch ab. Volkswagen und Daimler spielen den Ball direkt an die Nachrüstfirmen zurück. „Diese Lösungen müssen vorliegen, zugelassen und dauerhaft haltbar sein und damit die Kunden überzeugen“, heißt es bei VW. Außerdem erwarte man, „dass die Bundesregierung sicherstellt, dass sich alle Hersteller an den entsprechenden Maßnahmen beteiligen“. Auch wer am Ende für etwaige Schäden zum Beispiel am Motor haftet, ist noch offen.
Die Nachrüstfirmen – genau wie die Werkstätten – beteuern, sie stünden bereit. Baumot-Chef Marcus Hausser sagte der Deutschen Presse-Agentur jüngst, der Hersteller habe kein Problem damit, die Gewährleistung zu übernehmen. Hausser und auch Stefan Lefarth, Strategiechef beim Konkurrenten HJS, rechnen damit, dass die Systeme binnen Jahresfrist am Markt sein könnten – allerdings nur unter der Bedingung, dass die Hersteller mit im Boot sitzen.
Denn die Nachrüstungen sind komplex, die Autos im Gegensatz zu Bussen oder Lieferwagen sehr unterschiedlich. Dass die Systeme dann flächendeckend für saubere Luft sorgen werden, bezweifeln Branchenkenner. Stefan Reindl, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochsschule für Wirtschaft in Geislingen, glaubt, die Entscheidung für Nachrüstungen sei neben dem Druck aus Brüssel auch dem laufenden Wahlkampf geschuldet. „Es musste irgendein Klimmzug erfunden werden, damit auch die Wähler zufrieden gestellt werden, die sich kein neues Auto leisten können.“ dpa