Wiesbaden – Die „Denkzettelwahl“ in Hessen hat zwei große Verlierer: Die Volksparteien CDU und SPD müssen wie schon bei der Landtagswahl in Bayern vor zwei Wochen empfindliche Verluste im zweistelligen Bereich verkraften. Von Hessen geht die deutliche Botschaft nach Berlin: Die Menschen sind unzufrieden mit der Arbeit der Großen Koalition.
Zu spüren bekommen das die Landesverbände von CDU und SPD. Die ersten Schätzungen am Sonntagabend zeigen: Die hessischen Christdemokraten haben die Wähler vorrangig an ihren Koalitionspartner verloren. 92 000 Stimmen hat die CDU an die Grünen abgegeben. Etwas mehr, ungefähr 94 000, wanderten zur AfD ab, die das vor der Wahl ausgegebene Ziel von 15 Prozent dennoch nicht erreichen konnte. Durch Nichtwähler entgingen der CDU etwa 58 000 Stimmen, 38 000 Wähler verlor sie an die FDP – und 5 000 an Die Linke.
Das einzige Plus der CDU geht auf Kosten der SPD: Nur von den Sozialdemokraten konnte Bouffier Stimmen abziehen, insgesamt 27 000. Für die SPD ist auch diese Wahl das erwartete Debakel: Rund 101 000 Stimmen verlor sie an die Grünen, etwa 38 000 an die AfD sowie 24 000 an die Linke. Auch die FDP profitierte von der Unzufriedenheit der Hessen mit der Rolle der SPD in der GroKo. Immerhin rund 23 000 ehemalige SPD-Wähler machten ihr Kreuz dieses Mal bei der FDP.
Die Forschungsgruppe Wahlen wertet die Hessen-Wahl als „Votum für schwarz-grüne Regierungskontinuität mit deutlich mehr grünem Anstrich“. 49 Prozent seien für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit von Union und Grünen, 33 Prozent dagegen. „Dagegen wird eine große Koalition inzwischen sogar stärker abgelehnt als sämtliche denkbaren Drei-Parteien-Bündnisse, gegen die es in Hessen ebenfalls mehr oder weniger große Vorbehalte gibt.“
Viele Wähler haben laut Forschungsgruppe kurzfristig grün gewählt: Die Partei steht für 69 Prozent der Befragten „für eine moderne, bürgerliche Politik“. Für ihre Arbeit in der bisherigen schwarz-grünen Koalition bekommen die Grünen bessere Noten als die CDU. Zudem stellen sie mit Tarek Al-Wazir den beliebtesten Politiker Hessens. KATHRIN BRACK