Man sieht sich immer zweimal im Leben

von Redaktion

Friedrich Merz will CDU-Chef werden: Der einst verdrängte Hoffnungsträger bringt sich wieder ins Spiel

Berlin – Friedrich Merz wurde früh eine glänzende politische Karriere vorhergesagt. Er war ein Hoffnungsträger der CDU, ein hoch begabter Jurist, ein glänzender Redner, ein ausgewiesener Finanzexperte. Im Februar 2000 wurde er – auf dem Höhepunkt des Parteispendenskandals – mit beachtenswerten 96 Prozent als Nachfolger von Wolfgang Schäuble zum Vorsitzenden der Unionsfraktion gewählt.

Der am 11. November 1955 im sauerländischen Brilon geborene Merz hatte sich in der CDU als Wertkonservativer positioniert. 1985 wurde er Richter und arbeitete kurz danach als Rechtsanwalt. Seine politische Laufbahn begann er 1989 mit seiner Wahl ins Europaparlament. 1994 zog er für den Hochsauerland-Wahlkreis in den Bundestag ein. Vier Jahre später verteidigte er sein Direktmandat und begann den Aufstieg in der Partei-Hierarchie.

Merz ist Urheber des umstrittenen Begriffs von der „deutschen Leitkultur“, mit der er die Ausländerpolitik der CDU auf ein Nein zur Zuwanderung festschreiben wollte. Unvergessen auch, wie er 2003 die Eckpunkte einer radikalen Steuerreform präsentierte, die mit drei Stufen auf einem Bierdeckel erklärbar sein sollte.

Merz sollte die Fraktion aus der Krise führen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hatte er dabei erste Erfolge. Doch dann kam Angela Merkel. Sie war in den Wirren des Parteispendenskandals an den Parteivorsitz gekommen, nun wollte sie auch die Fraktion leiten.

Nach Darstellung von damaligen Beobachtern fuhr Merkel folgende Taktik: Für die Bundestagswahl 2002 wurde sie gedrängt, dem damaligen CSU-Chef und bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur der Union zu lassen.

Merkel ging als Vorsitzende der größeren Schwesterpartei darauf ein, ließ sich aber bei einem legendären Frühstück bei Stoiber in Wolfratshausen zusichern, dass er sie – egal wie er bei der Wahl abschneidet – in der neuen Legislaturperiode als Vorsitzende der gemeinsamen Bundestagsfraktion vorschlägt. Stoiber verlor gegen SPD-Kanzler Gerhard Schröder – und Merkel erinnerte den CSU-Chef an die Absprache von Wolfratshausen.

Merkel hatte kühl und schlau nach der Macht gegriffen, Merz ging als großer Verlierer aus dem Duell. Jede Versöhnungsgeste schlug er danach aus: Er zog sich relativ schnell von wichtigen Posten in Fraktion und Partei zurück. „Ich habe andere Koordinaten als nur politische Ämter“, sagte er damals.

Er werde sich um seine Anwaltskanzlei kümmern. „Es muss sich niemand um meine Resozialisierungsfähigkeit Gedanken machen.“ Tatsächlich kam Merz gut unter. Seit 2009 ist er Vorsitzender der Atlantik-Brücke. Seit 2005 arbeitet er als Senior Counsel bei der Anwaltskanzlei Mayer Brown (Chicago/Düsseldorf). Diesen Angaben zufolge ist er auch Mitglied des Aufsichtsrates der Investmentgesellschaft Black Rock.

Merz genießt in der CDU – und auch in Teilen der CSU – nach wie vor großes Ansehen. Die Entmachtung als Fraktionschef hat bei ihm tiefe Spuren hinterlassen. Jetzt, da Merkel das Handtuch als Parteichefin wirft, war Merz sofort zur Stelle – noch schneller als die Merkel-Vertraute Annegret Kramp-Karrenbauer. Das zeigt, dass die eine oder andere Rechnung noch offen ist. Die Kanzlerin mit einem CDU-Vorsitzenden Merz an der Seite – das könnte spannend und spannungsvoll werden. RUPPERT MAYR

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