München – Manchmal klingen Geheimnisse furchtbar banal. Da hat Bayerns neue Koalition ihren Vertrag tagelang unter höchster Vertraulichkeit verhandelt, Mitarbeiter zeitweise vor die Türe gesetzt, die Presse sogar zwei Räume weiter geschickt und einen Wachmann davor postiert. Und dann beginnt der so hoch geheime Vertrag mit blumiger Prosa. „Wir nehmen den Regierungsauftrag dankbar an.“ Oder: „Wir arbeiten kraftvoll und engagiert zum Wohle des Freistaates.“
Mit wolkigen Worten startet also der gut 60-seitige Koalitionsvertrag, der am Montagmorgen unterschrieben werden soll. Manche Punkte bleiben vage, andere sind konkret geregelt. Wir haben die wichtigsten Pläne der Regierung aus CSU und Freien Wählern zusammengefasst.
Inneres
Das neue Polizeiaufgabengesetz (PAG), das Auftrag und Befugnisse der Polizei regelt, bleibt bestehen. In der ersten Jahreshälfte 2019 soll überprüft werden, ob etwa der juristisch umstrittene Begriff einer „drohenden Gefahr“ einer Anpassung bedarf.
Belastbare Zahlen gibt es beim Personal: Bayern soll in den kommenden fünf Jahren 3000 zusätzliche Polizisten erhalten – aus bisher 42 000 würden damit 45 000. Auch die Arbeitsbedingungen bei der Polizei sollen besser werden, durch leichteren Abbau von Überstunden und höhere Zuschläge für Nachtschichten (auf 5 Euro pro Stunde).
Die nicht unumstrittene Grenzpolizei soll auf 1000 Stellen ausgeweitet werden. Beim im Vorfeld strittigen Thema Reiterstaffeln (Aiwanger: „Wilder Westen“) gibt es einen Kompromiss. Der Ausbau wird auf 100 Pferde festgesetzt, Söders Plan hatte 200 vorgesehen. Zudem bekommt offenbar außer München nur Nürnberg eine eigene Staffel – nicht alle bayerischen Großstädte.
Asyl/Integration
CSU und Freie Wähler wollen eine „Asylpolitik mit Humanität und Ordnung“, es bleibt aber bei einem harten Kurs. Zentraler Punkt sind schnellere Entscheidungen über Asylanträge (durch die bestehenden Anker-Zentren) und Asyl-Klagen (durch neue Verwaltungsrichter). Außerdem fordern sie eine konsequente Rückführungspraxis. In Passau und Hof sollen neue Abschiebehafteinrichtungen gebaut werden.
Einen „Spurwechsel“ in den Arbeitsmarkt lehnt die Koalition ab, will aber „besondere Integrationsleistungen im Einzelfall“ anerkennen. Die 3+2-Regelung soll offensiver angewendet werden, zum Beispiel im Pflegebereich. Das umstrittene Arbeitsverbot ist kein Thema im Koalitionvertrag, angekündigt sind aber gemeinnützige Arbeitsgelegenheiten für Asylbewerber.
Mit einem „Bayerischen Afrika-Paket“ wollen CSU und Freie Wähler die Fluchtursachen bekämpfen. Ergänzend zu EU und Bund wollen sie die Entwicklung afrikanischer Staaten unterstützen.
Umwelt/Landwirtschaft
Mehr Sensibilität für die Ökologie hatte Ministerpräsident Markus Söder vor den Koalitionsverhandlungen angekündigt. Tatsächlich greifen CSU und Freie Wähler die Forderung von SPD und Grünen nach einem Bayerischen Klimaschutzgesetz auf. Der Klimaschutz soll Verfassungsrang bekommen. In einem weiteren Punkt rückt die CSU von ihrer bisherigen Position ab. „Die Änderungen im Alpenplan werden wir rückgängig machen“, heißt es knapp. Ein dritter Nationalpark bleibt ausgeschlossen. Beim Flächenverbrauch wird eine „Richtgröße“ von fünf Hektar pro Tag im Landesplanungsgesetz angestrebt – von einer gesetzlichen Obergrenze ist aber keine Rede. Mit 20 Millionen Euro soll eine Landesagentur für Energie und Klimaschutz aufgebaut werden, um die Energiewende umzusetzen.
Im Bereich Agrar soll der ökologische Landbau „mittelfristig“ verdoppelt, der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln dagegen reduziert werden – jedoch ohne Verbote, sondern nach dem Prinzip der Freiwilligkeit.
Bildung
Weniger Unterrichtsausfälle, kleinere Klassen: Für diese Ziele sollen 5000 Lehrer bis 2023 neu eingestellt werden. Außerdem kündigt die Koalition 500 Stellen für Schulpsychologen und Sozialpädagogen an. Jungen Lehrern versprechen CSU und Freie Wähler ein höheres Einstiegsgehalt. Für Grundschüler werde es 10 000 neue Hortplätze geben, dazu bayernweit 50 000 digitale Klassenzimmer. Der bereits angekündigte Unterrichtsschwerpunkt „Mundart und regionale Kultur“ wird eingeführt. An den Hochschulen sollen 18 000 Studienplätze entstehen, daneben wolle man in bestimmten Fächern wieder Diplomabschlüsse anbieten. Das viel diskutierte Luft- und Raumfahrt-Programm wird umgesetzt.
Familie
„Wir wollen eine Familienkoalition sein“, versprechen die Partner. Die Freien Wähler setzen ihren Plan zumindest auf dem Land weitgehend durch, Kindergärten beitragsfrei zu machen. Wie schon für das dritte, fließt künftig auch für das erste und zweite Kindergartenjahr ein monatlicher Zuschuss von 100 Euro pro Kind. Zusätzlich verspricht die Regierung ab dem Jahr 2020 monatlich weitere 100 Euro pro Kind (ab dem zweiten Lebensjahr). Das gilt für Eltern, die tatsächlich Beiträge etwa für Krippe und Tagesbetreuung zahlen. Das von der CSU eingeführte Familiengeld von 250 Euro im Monat pro Kind im zweiten und dritten Lebensjahr bleibt. Die Regierung verspricht zudem 42 000 neue Betreuungsplätze und 2000 zusätzliche Tagespflegepersonen.
Bauen/Wohnen
Das Ziel: Bis 2025 sollen in Bayern 500 000 neue Wohnungen errichtet werden. Der Freistaat selbst will 10 000 „erschwingliche Wohnungen“ bauen. Auch der Bau von neuen Sozialwohnungen – häufig von den Kommunen verantwortet – soll verstärkt werden. Bei staatlichen Wohnungen soll es fünf Jahre lang keine Mieterhöhungen geben.
Familien soll der Kauf oder der Bau selbst genutzter Immobilien durch zusätzliche Förderungen erleichtert werden. Das war bereits Teil von Söders erster Regierungserklärung im April. Im Bundesrat will Schwarz-Orange durchsetzen, dass „Landwirte Bauland steuerfrei oder steuerbegünstigt aus dem Betriebsvermögen entnehmen dürfen“ – wenn darauf Miet- oder Eigentumswohnungen entstehen sollen.
Gesundheit/Pflege
Der Erhalt kleiner Krankenhäuser war ein zentrales Wahlversprechen der Freien Wähler. „Wir wollen die kleineren Standorte erhalten und bedarfsgerecht weiterentwickeln“, steht nun auch im Koalitionsvertrag. Gezielte Förderprogramme sollen dabei helfen. Zudem sollen Geburtshilfe-Stationen auch an kleineren Klinikstandorten erhalten werden. Einem drohenden Ärztemangel tritt die Koalition mit 2000 neuen Studienplätzen und flexibleren Zulassungskiterien zum Studium entgegen. Zudem sollen eine Landarztquote sowie eine Landarztprämie die Ärzte aus den Städten locken. Auch Hebammen sind gefragt: Ihnen soll ein Gründerpaket von 5000 Euro den Einstieg in den Beruf erleichtern. Mit gezielten Anreizen wie staatlichen Wohnangeboten will die Koalition zudem Pflegekräfte aus dem In- und Ausland nach Bayern locken.