Ihr Platz ist nun oben am Präsidentenpult, neben sich eine Glocke, um das Parlament zur Ordnung zu rufen: Ilse Aigner erlebt ihren ersten Tag als Landtagspräsidentin. Aufstieg oder Ausstragsstüberl? Gemächliche Repräsentanz oder ein hochpolitisches Amt in einem Parlament mit AfD? Das erste Interview mit der 53-jährigen CSU-Politikerin nach ihrer Wahl.
Sie haben als jüngste Abgeordnete 1994 an diesem Pult den Landtag eröffnet. Jetzt sind Sie Präsidentin. Sind Sie heute noch aufgeregter als damals?
Damals war ich aufgeregter. Es war ja ein komplett neuer Lebensabschnitt, aus der Wirtschaft in die Politik zu wechseln, alles war neu für mich. Heute habe ich den Vorteil, den Landtag als Abgeordnete und Ministerin sehr gut zu kennen.
Wie gut kennen wir Sie? Ihnen hängt das Etikett der „netten Frau Aigner“ an. Können Sie auch grob auf den Tisch hauen?
Ja. Das kann ich, das hat auch der eine oder andere spüren müssen – nicht inflationär, aber genau dann, wenn es nötig ist. Ich werde nicht davor zurückschrecken, durchzugreifen, wenn Abgeordnete sich nicht an die Regeln des Parlaments halten. Egal von welcher Seite. Ich will den Abgeordneten auch eines klar sagen: Wir sind 205 Menschen mit dem enormen Privileg, in den Landtag gewählt zu sein. Das ist eine große Verantwortung. Wir haben Vorbilder zu sein.
Zu welchem Umgang mit der AfD raten Sie?
Wir schauen uns das an. Ich werde sehr genau darauf achten, dass sich die Kollegen an die Hausordnung halten und den Ton wahren, der im Parlament angebracht ist. Ich erwarte, dass dieses Parlament auch weiterhin eine gute, von gegenseitigem Respekt geprägte Diskussionskultur vorlebt. Dies fordere ich ein und setze es auch durch.
Es gibt die Idee, ein Gesetz so zu ändern, dass auch Mitarbeiter von Abgeordneten und Fraktionen nach Vorstrafen geprüft werden. Unterstützen Sie das?
Ja. Wir sollten dieselben Maßstäbe für Mitarbeiter mit Zugang zum Haus aufstellen, wie sie für die Abgeordneten selbst gelten. Das hat auch etwas mit Sicherheit zu tun.
Gestehen Sie der AfD einen Ausschussvorsitz zu?
Das ist so nach den parlamentarischen Regeln. Ihr steht ein Ausschussvorsitz zu.
Warum hat die CSU nicht die Größe, den Grünen den „ersten“ Landtagsvizepräsidenten zu geben?
Auch da gelten Regeln und ein vereinbartes Zählverfahren. Wir sind als CSU-Fraktion, auch wenn wir Stimmen verloren haben, noch mehr als doppelt so groß wie die Grünen. Deshalb ist diese Verteilung angemessen.
Der Landtag ist größer denn je. Wähler würden sich mehr Transparenz und Sparsamkeit wünschen. Wo setzen Sie an?
Ich halte das für sehr transparent. Jeder kann nachlesen, was Abgeordnete verdienen, welche Ausstattung sie bekommen. Das Parlament ist aber größer geworden. Das wird nicht mit weniger Kosten ablaufen. Ich sage ganz klar: Demokratie kostet Geld. Andere Formen der Staatsführung sind weder besser noch günstiger.
Der Landtag hat die letzten Monate mit CSU-Mehrheit recht brav abgenickt, was der Ministerpräsident wollte. Wird das Parlament nun selbstbewusster?
Ich gehe davon aus. Wir wollen eine lebendige Demokratie in diesem Landtag. Das wird für Abgeordnete eine Umstellung sein, die bisher in der Opposition waren und jetzt Regierungsverantwortung haben – aber auch für diejenigen, die bisher mit einer absoluten Mehrheit ausgestattet waren und sich jetzt mit einem Koalitionspartner verständigen müssen.
Sie sind Vorsitzende der CSU Oberbayern, Partei-Politikerin also. Passt das zum repräsentativen Amt?
Auch bei Alois Glück hat das gut funktioniert. Keine Sorge – ich weiß, dass ich hier zwei Hüte aufhabe, und werde das sehr genau trennen. Ich möchte im Parlament überparteilich arbeiten.
Von der Ministerin zur Landtagspräsidentin – ist das nun Aufstieg oder Austragsstüberl? Und: Gibt es einen Rückweg?
Es gibt immer Rückwege. Ich bin in einem Alter, in dem sich alles noch verändern kann. Aber ich strebe das nicht an. Ich wollte dieses Amt, nachdem klar war, dass Barbara Stamm leider nicht mehr in den Landtag kommt. Ich will an dieser Stelle Ehrenamt und Zusammenhalt in Bayern stärken und mit allen Fraktionen für die Demokratie kämpfen.
Interview: Chr. Deutschländer