„Dann habe ich das Telefonbuch abtelefoniert“

von Redaktion

6 FRAGEN AN

Bayern begeht das 100-jährige Jubiläum der Revolution 1918/19 und der Gründung des Freistaats. Deren bekanntestes Gesicht, Bayerns erster Ministerpräsident Kurt Eisner, hat zwar sieben Kinder hinterlassen, deren Nachfahren waren aber lange unbekannt; bis jetzt. Der Münchner Sepp Rauch, der sich bei Verdi engagiert, hat sich auf die Suche begeben.

Warum wollten Sie Kurt Eisners Nachfahren überhaupt finden?

Vor gut einem Jahr haben wir begonnen, für zwei Ausstellungen zur Revolution zu recherchieren. Gleichzeitig findet ja ein Festakt statt, und auch das Stadtmuseum organisiert eine Ausstellung. Bei beiden war kein Nachfahre Eisners da. Dann habe ich gesagt, das kann nicht sein, dass wir keinen Kontakt zu den Verwandten aufnehmen.

Die Enkel Eisners waren ja nicht bekannt, wie haben Sie sie dennoch gefunden?

So, wie bei allen historischen Recherchen. Man grenzt mögliche Wohnorte ein – außerdem hatten wir zwei Namen: Graßmann, so hieß eine Tochter Eisners nach ihrer Hochzeit, und Eisner. Dann habe ich einfach das bundesweite Telefonbuch abtelefoniert.

Das klingt nach einer Menge Anrufen. Wie lange hat es gedauert, bis sie erfolgreich waren?

Den Kurt Eisner junior hatte ich nach zirka 35 Telefonaten am Apparat. Insgesamt konnten wir so drei Enkel finden.

Das erste Gespräch, wie lief das ab?

Es war sehr spannend. Man konnte förmlich durch das Telefon sehen, wie er gelächelt hat und dann erzählte er, dass er ja eigentlich gar nicht Kurt Eisner heißen sollte. Seiner Mutter wurde auf dem Berliner Standesamt gesagt: „Nach dem Verbrecher Kurt Eisner benennt man kein Kind.“ Deshalb hat er zwei Vornamen, er selbst verwendet den Namen Kurt Eisner.

Was war die Reaktion der Eisner-Nachfahren?

Die Familie freut sich unheimlich, dass zum 100-Jährigen die Öffentlichkeit sich überhaupt für sie interessiert. Man muss wissen, dass mit Ausnahme einer einzigen Person alle Mitglieder der Familie Eisner von den Nazis verfolgt und bis heute auch nicht öffentlich aus dieser Rolle herausgeholt wurden. Bis in die 1970er-Jahre haben sie noch Drohungen per Post erhalten.

Wie viele Verwandte konnten Sie aufspüren?

Wir kennen drei. Es müsste noch Verwandte in den USA geben, da recherchieren wir noch. Das ist aber schon die Urenkelgeneration. Die Enkel sind alle jenseits des Rentenalters – die Älteste weit über 80.

Interview: Thomas Benedikt

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