5 FRAGEN AN
Nicolai von Ondarza ist Leiter der Forschungsgruppe Europa bei der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) und forscht unter anderem zum Brexit.
Ist das Abkommen aus Sicht der Briten überhaupt sinnvoll?
Es wäre ein Abkommen, das Großbritannien sehr, sehr lange im europäischen Rahmen halten würde. Mit einer Übergangszeit, die das Land bis 2020 ohne Mitspracherecht an alle EU-Regeln bindet. Das ist, was die Brexiteers letztlich kritisieren. Ob die Übereinkunft gut oder schlecht ist, kommt auf die Perspektive an. Wirtschaftlich könnte man von einem positiven Ergebnis sprechen, denn die britische Wirtschaft hätte auf Jahre hin den vollen Zugang zum europäischen Markt. Politisch bezahlt Großbritannien dafür aber einen hohen Preis.
Wird man die Änderungen als Bürger überhaupt spüren?
Mit diesem Abkommen endet nach der Übergangsphase die Freizügigkeit. Das heißt, es würden viele Dinge wegfallen, die EU-Bürgern in Großbritannien heute noch möglich sind. Zum Beispiel die Krankenkassenkarte zu nutzen oder dort einfach zu studieren und zu leben.
Wie wichtig ist ein Abkommen für die deutsche Wirtschaft?
Es würde vor allem bedeuten, dass Zeit gekauft wird. Nach jetzigem Stand wäre das Königreich bis 2020 Vollmitglied in Binnenmarkt und Zollunion, der Warenverkehr könnte weiterhin vollständig fließen. Für die Wirtschaft würde dieses Ergebnis bedeuten, dass die Konsequenzen nicht ganz so radikal ausfallen. Die Chancen, dass es so umgesetzt wird, sind aber mittlerweile sehr gering.
Viele betrachten es als Mogelpackung, weil man die endgültige Entscheidung nur verschiebt.
Das Abkommen regelt vor allem die Scheidungsfragen: Was passiert mit den britischen Zahlungen in den EU-Haushalt? Was passiert mit EU-Bürgern auf der Insel? Aber es sagt nichts darüber aus, wie es nach der Übergangszeit weitergeht.
Glauben Sie, dass andere Staaten dem Beispiel der Briten folgen werden?
Die Gefahr stand immer im Raum. Kurz nach dem Referendum gab es die konkrete Angst, dass es eine Art Domino-Effekt geben könnte. Wir sehen aber bisher eher das Gegenteil: dass der Brexit eher abschreckend ist. Ich gehe davon aus, dass die Schwierigkeiten der Briten, sich tatsächlich von der EU zu lösen, eher unterstreichen, wie wichtig der gemeinsame Markt für alle EU-Staaten ist.
Interview: Kathrin Brack