8 FRAGEN AN
Petra Reski, 60, weiß, wie Mafia-Organisationen funktionieren. Die deutsche Journalistin und Schriftstellerin hat zahlreiche Bücher und Artikel über Mafiaclans wie die ’Ndrangheta geschrieben, zuletzt „Bei aller Liebe“ (Hoffmann & Campe) und „100 Seiten Mafia“ (Reclam). Im Interview erklärt Reski die Netze der organisierten Kriminalität in Deutschland.
Frau Reski, welche Mafiaclans sind in Deutschland bekannt?
Die ’Ndrangheta kennt man spätestens seit 2007 nach dem Mafia-Massaker von Duisburg. Damals wurden sechs Mitglieder des Clans „Pelle-Romeo“ erschossen. Gegen diesen Clan wird auch jetzt ermittelt. Alleine in dem kalabrischen Dorf San Luca mit 3700 Einwohnern gibt es 39 solcher Familienclans. Ihre Mitglieder sind im Ruhrgebiet und seit den 1960er-Jahren in München verwurzelt.
Ist München also ein Schwerpunkt?
Definitiv. BKA-Berichte belegen das.
Welche Geschäfte wickelt die Mafia hier ab und wo ist sie besonders aktiv?
Es gibt Verbindungen in die Gastronomie, in die Baubranche, vor allem der Drogenhandel spielt eine wichtige Rolle. Prostitution und das Geschäft mit Giftmüll gehören auch dazu. München ist ein Zentrum für Geldwäsche.
Warum ist Bayern bei der Mafia so beliebt?
Die Bevölkerung ist wohlhabend. Es ist viel Geld im Umlauf. Und die Gesetze sind weniger streng. In Deutschland ist die Zugehörigkeit zur Mafia nicht strafbar, in Italien hingegen schon. Geldwäsche wird den Clans hier besonders leicht gemacht.
Auch in Italien haben sich die Strukturen verfestigt.
Weil Silvio Berlusconi von der Mafia profitiert hat, wurde sie deshalb praktisch nicht kontrolliert.
Wird bei uns jetzt härter durchgegriffen?
Hoffentlich. Denn deutsche Ermittler sind frustriert, weil sie wissen, welche Geschäfte laufen, aber ihnen die rechtliche Handhabe fehlt.
Wie viele Clan-Mitglieder gibt es in Deutschland?
Etwa 580 sind aktenkundig, die Dunkelziffer ist um ein Vielfaches höher.
Geht von der Mafia eine Gefahr für Bürger aus?
Eigentlich nicht. Die Politik weiß das und gibt den Bürgern damit eine Beruhigungspille. Der Mafia geht es um Macht, deshalb investieren sie in die Wirtschaft. Aber das ist kein Konjunkturprogramm, sondern Ausbeutung.
Interview: Johannes Heininger