Rom – Ein untersetzter, weißhaariger Mann wird in Handschellen abgeführt. Blitzlichtgewitter, Polizeisirenen. Der eher unscheinbare 80-Jährige blickt scheu in die Menge. Für den Juwelier aus Palermo dürfte es Höhepunkt und zugleich Ende seiner Karriere in der „Ehrenwerten Gesellschaft“ gewesen sein. Spezialeinheiten der Carabinieri nahmen vorgestern Settimino Mineo in Sizilien fest – dabei war er erst vor wenigen Monaten zum Paten der „Cupola“, also zum Boss der Bosse der sizilianischen Cosa Nostra gewählt worden. Und damit quasi zum Nachfolger des berüchtigten „Schlächters von Corleone“, des vor einem Jahr in Isolationshaft gestorbenen Paten Totò Riina.
Rund zwei Jahrzehnte war Riina einer der mächtigsten und brutalsten Bosse in der Geschichte der Mafia. Mit ihm war der berüchtigte Clan der Corleone zur bestimmenden Kraft des organisierten Verbrechens aufgestiegen. Interne Gegner ließen Riina und seine Vertrauten gnadenlos umbringen. Diesem Bruderkrieg fielen Anfang der 1980er-Jahre über 1000 Personen zum Opfer.
Seit Riina den Paten von Palermo ermorden ließ, existierte auch die sagenhafte „Cupola“, der Rat der mächtigsten Mafiafamilien, nicht mehr. Sie diente seit den Gründerjahren Mitte des 19. Jahrhunderts den Verbrecher-Clans dazu, ihre Geschäfte zu koordinieren und Streitigkeiten zu lösen. Den Niedergang der Cosa Nostra leitete ihr Krieg gegen den Staat Anfang der 1990er-Jahren ein. Politiker, Richter, Staatsanwälte, Journalisten – jeder, der sich mit der Mafia anlegte, unterschrieb damit sein Todesurteil.
Die grausamen Attentate auf die Mafiajäger Falcone und Borsellino sowie Bombenanschläge auf bekannte Gebäude in Florenz und Kirchen in Rom ließen die Stimmung in Italien kippen. Die Mafia galt nun als Staatsfeind Nummer eins, die Justiz rüstete auf. Tausende Mafiosi wurden in den letzten 20 Jahren verhaftet, Besitztümer in Milliardenwert beschlagnahmt, Drogenringe ausgehoben, Geschäftspraktiken und Geldwäsche-Methoden aufgedeckt, Verbindungen in Politik und Behörden offengelegt.
Kein Wunder, dass die Mafia-Clans heute lieber in andere Länder ausweichen. In Italien ist der Boden vielerorts zu heiß geworden. Für Sizilien gar gilt: Der Rechtsstaat hat den Krieg gewonnen. Zu verdanken ist das auch der Zivilcourage von unzähligen tapferen Bürgern, die sich nicht einschüchtern ließen. Wer heute durch die Gassen Palermos geht, dem fallen in vielen Geschäften und Restaurants Aufkleber an den Türen auf. Dort steht zu lesen: „Wir zahlen kein Schutzgeld!“ INGO-MICHAEL FETH