„Die Republik verberlinert“

von Redaktion

GASTBEITRAG Edmund Stoiber sagt: Bildung ist Ländersache

Die „Verberlinerung“ der Republik ist in vollem Gang. Zwar hat es schon immer Bestrebungen gegeben, mehr Aufgaben beim Bund zu zentralisieren. Durch die Föderalismusreformen vor über zehn Jahren konnte dieser Trend aber gestoppt und umgekehrt werden. Allerdings bekommen die Befürworter einer Zentralisierung politischer Kompetenzen wieder Oberwasser. Jüngstes Beispiel ist der Digitalpakt für Schulen, für den das Grundgesetz im Sinne des Bundes geändert werden soll. Fünf Milliarden Euro will der Bund den Ländern für die digitale Ausstattung der Schulen geben und dafür mehr mitbestimmen. Daneben will sich der Bund auch im sozialen Wohnungsbau und bei der Verkehrsinfrastruktur mehr Gestaltungsmöglichkeiten verschaffen.

Der Föderalismus ist ein Grundstein und Kernelement der deutschen Entwicklung zur Nation. Vor der Schaffung des Deutschen Reichs durch Bismarck 1871 bestand „Deutschland“ aus vielen kleinen und großen Staaten, anders als etwa unser großer, zentral organisierter Nachbar Frankreich. Die Antwort auf die rücksichtslose, geschichtsferne Gleichschaltungspolitik der Nationalsozialisten war das Grundgesetz mit seiner föderalen Staatsordnung, die gemäß Artikel 79 nicht verändert werden kann. Bildung ist seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland wieder absolute Ländersache. Ein Kultusminister in Bonn war undenkbar.

Es ist ureigene Sache jedes Landes und seiner Kommunen, gute Bildungschancen sicherzustellen und seine Schulen angemessen zu finanzieren. Dazu haben wir sechzehn Kultusminister und sechzehn Landtage! Natürlich ist mehr Geld für Bildung immer gut. Aber dazu braucht es keine Grundgesetzänderung, die dem Bund dauerhaft ein Mitspracherecht in der Bildungspolitik einräumen würde. Die saubere föderale Lösung, um mehr Geld in das Bildungssystem zu geben, wäre es, wenn der Bund den Ländern mehr Einnahmen aus der Umsatzsteuer überließe. Das würde auch dem Aufgabenzuwachs in der Bildung am besten Rechnung tragen.

Ein föderaler Staat zeichnet sich durch klare Zuständigkeiten und eindeutige Verantwortlichkeiten aus. Erst vor zwölf Jahren haben Bund und Länder als Konsequenz aus der Fehlentwicklung Deutschlands zu mehr Zentralismus eine gemeinsame Antwort gegeben: In der ersten Föderalismuskommission unter der Leitung des damaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Franz Müntefering und mir als bayerischer Ministerpräsident wurde eine Entflechtung der Zuständigkeiten in vielen Politikfeldern, darunter auch der Bildung, beschlossen. Das war aus den Erfahrungen der Gemeinschaftsaufgaben und der Vermischung von Zuständigkeiten in den 1960er- bis 1990er-Jahren damals absoluter Konsens. Dafür stimmten der Bundestag und alle Ministerpräsidenten, auch die der SPD.

Ich bin froh, dass Bayerns Ministerpräsident Markus Söder daran anknüpft und gemeinsam mit allen Kollegen den Zentralisierungsbestrebungen des Bundes Widerstand entgegensetzt und die Länder den Vermittlungsausschuss anrufen wollen. Alle bayerischen Ministerpräsidenten seit Gründung der Bundesrepublik haben sich als „Lordsiegelbewahrer“ des Föderalismus verstanden. Gerade für Bayern mit seiner selbstbewussten Bevölkerung und der über tausendjährigen Staatstradition hat ein selbstbestimmter Gestaltungsföderalismus eine herausragende Bedeutung.

Wir halten regionale Unterschiede und Traditionen – entgegen mancher Stimmungslagen für vorrangige Einheitlichkeit in Deutschland – nicht für Schwächen, sondern für Stärken. Natürlich bedeutet Föderalismus auch Wettbewerb und Anstrengung für die bestmöglichen Ergebnisse. Die Unterschiede, die der Wettbewerb hervorbringt, gefallen nicht jedem. Aber dadurch entsteht auch der Ansporn, es besser zu machen.

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