München – Die Hoffnung stirbt zuletzt. Auch bei den britischen Bürgern in Bayern. Nach dem Schock des Brexit-Referendums im Juni 2016 haben sie begonnen, sich zu organisieren und sich im Januar 2017 zum Verein „British in Germany“ zusammengeschlossen, um ihre Interessen im Falle des Austritts Großbritanniens aus der EU zu vertreten. Knapp über 18 000 Briten leben in Bayern, rund 6000 im Raum München. Eine davon ist Alison Jones, eine IT-Fachfrau, überzeugte Europäerin und Brexit-Gegnerin.
Auch sie schwankt zwischen Hoffen und Bangen, wenn sie der Abstimmung im britischen Unterhaus am morgigen Dienstag entgegenblickt. „Auch im Austrittsvertrag mit der EU gibt es noch Lücken, die vielen von uns Sorgen bereiten“, erzählt Alison Jones im Gespräch mit unserer Zeitung. „Viele Briten sind hier sehr gut integriert– so gut, dass sie mit deutschen Partnern verheiratet sind. Laut Vertrag wird es aber nicht so einfach sein, mit dem deutschen Partner zurück nach Großbritannien zu ziehen. Denn die Rückkehr mit Partner ist dann nicht mehr ein Recht, sondern an strenge Konditionen verbunden und muss beantragt werden. Wenn zum Beispiel die Eltern auf der Insel krank würden und man nach Hause möchte, um sie zu pflegen, könnte das schwierig werden.“ Viele Briten in Deutschland arbeiteten in gut bezahlten Jobs in der Forschung oder in der Wirtschaft, es sei Teil der Karriereplanung, ein paar Jahre im Ausland zu leben und zu arbeiten.
Auch das „Withdrawal Agreement“ grenze die Briten in Deutschland stark ein. Wenn ein britischer Ingenieur bei BMW nach Belgien oder Polen geschickt werden soll, werde er behandelt wie ein Drittstaatler, so Jones. Auch Freiberufler – Musiker, Übersetzer und Unternehmer – werden Probleme bekommen, weil sie nicht mehr europaweit ihre Dienste anbieten dürfen. Diese Eingrenzung der Freizügigkeitsrechte ist die größte Sorge. „Und das wäre bereits im günstigeren Fall, bei einem Brexit mit Deal eine Tatsache.“ Will sagen: Von einem harten Brexit ganz zu schweigen. „Das Schlimmste wäre für uns der ,No Deal‘, weil wir dann Drittstaatler ohne Residenz- und Arbeitsrecht wären, ohne Sozial- und Krankenversicherung“, befürchtet sie.
Viele Briten suchen ihr Heil in einem deutschen Pass. Waren 2015 nur 564 Ausweise an Bürger des Vereinigten Königreichs ausgestellt worden, waren es 2017 schon 7493. Auch setzt man seine Hoffnung auf die deutsche Regierung. Dort arbeite man bereits an Notfalllösungen, um individuelle Härte zu vermeiden. Hoffnung macht den deutschen Briten, dass die Möglichkeit eines zweiten Referendums wieder in den Fokus rückt, der Brexit als noch abgewendet werden kann.
Wermutstropfen aus Sicht der Kontinental-Briten: Viele von ihnen dürfen bei Wahlen und Referenden nicht mit abstimmen, weil sie seit mehr als 15 Jahren keinen Wohnsitz in Großbritannien haben. Immerhin sind das 1,2 Millionen in Europa. Egal, wie die Abstimmung morgen ausgeht: Diese Woche treffen sich Bayerns Briten zum Stammtisch. Nach dem Votum. Zum Mutmachen. Oder zum Trösten. A. WEBER