Am morgigen Dienstag stimmt das britische Unterhaus über den Brexit-Deal ab, den die Regierung von Premierministerin Theresa May mit der EU und ihrem Beaufragten Michel Barnier ausgehandelt hat. Angesichts des massiven Widerstands im Unterhaus ist offen, ob sie unter den 650 Abgeordneten eine Mehrheit für das Vertragswerk findet.
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Das Brexit-Paket umfasst einen knapp 600 Seiten starken Austrittsvertrag. Darin sind die Bedingungen der Trennung festgeschrieben – etwa die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien und Schlusszahlungen des Vereinigten Königreichs an die EU von rund 45 Milliarden Euro. Vorgesehen ist außerdem eine Übergangsfrist bis Ende 2020. Sie könnte noch bis Ende 2022 verlängert werden. In dieser Zeit soll sich für die Wirtschaft und die Bürger beider Seiten praktisch nichts ändern. *
Begleitet wird der Vertrag von der politischen Erklärung über eine sehr enge Wirtschafts- und Sicherheitspartnerschaft nach dem Brexit. Die könnte ein Handelsabkommen sowie eine enge Zusammenarbeit in bei Verteidigung, Sicherheit, Forschung und Klimawandel umfassen. *
Ein besonders umstrittener Passus des EU-Austrittsvertrags ist die Notfallregelung zur künftigen Grenze zwischen Irland und Nordirland, der sogenannte Backstop. Diese Auffanglösung soll eine harte Grenze zwischen Nordirland und Irland vermeiden, falls nach einer 21-monatigen Übergangsfrist immer noch keine Lösung gefunden ist – in dem Fall würde Nordirland auf einigen Gebieten enger mit der EU verbunden bleiben als das restliche Großbritannien. Dies stößt bei den Brexiteers in Mays konservativer Partei auf erbitterten Widerstand. Auch die nordirische Democratic Unionist Party (DUP), auf deren Unterstützung Mays Minderheitsregierung im Parlament angewiesen ist, lehnt den Backstop ab. Die zehn Abgeordneten der protestantischen und ultrakonservativen Partei haben bereits angekündigt, gegen das Brexit-Abkommen in seiner jetzigen Form zu stimmen – einen Sturz Mays wollen sie aber nicht unterstützen. Ziel sei es nur, einen besseren Deal zu erreichen, sagte DUP-Vize Nigel Dodds. Auf der Suche nach Wegen, doch noch eine Zustimmung für ihren Brexit-Plan im Unterhaus zu finden, erklärte May in der BBC, der Backstop werde nicht automatisch in Kraft treten. Sie stellte den Abgeordneten eine Mitwirkung an der Entscheidung in Aussicht. * Unterstützung bekam May von dem Liberaldemokraten Stephen Lloyd. Er trat als Whip (Einpeitscher) seiner Partei zurück, um für den Brexit-Deal stimmen zu können. Die Whips sorgen für Fraktionsdisziplin bei wichtigen Abstimmungen.
* Wird das Abkommen abgelehnt, drohen drastische Folgen für alle Lebensbereiche. Auch ein Rücktritt Mays, eine Neuwahl oder ein zweites Brexit-Referendum sind möglich. aw