Haar – Silvesterabend 1999, es ist kurz vor Mitternacht. Das Millennium steht vor der Tür. Der Haarer Feuerwehrkommandant Rudolf Künig sitzt in einem Auto des Bauhofs, das auf einem Acker einige Hundert Meter entfernt vom Sportpark im Ortsteil Eglfing (Kreis München) geparkt ist. Die mitgebrachte Suppe von seiner Frau hält ihn warm. Seit 10 Uhr war er an den Feuerwerksvorrichtungen zugange, die er auf dem Feld Reihe um Reihe aufgebaut hat. Gleich zeigt sich, ob sich sein Tagwerk gelohnt hat.
Der heute 78-Jährige hat zum Jahrtausendwechsel das erste öffentliche Silvesterfeuerwerk für die Gemeinde Haar aufgebaut und gezündet. Über 800 Menschen ließen sich das Spektakel auf dem Sportgelände nicht entgehen. Seitdem war er jedes Jahr dabei, obwohl die Regie inzwischen ein Mitarbeiter einer Pyrotechnik–Firma übernommen hat. „Die stellen auch die Bildabfolge des Feuerwerks zusammen“, erklärt Künig.
Lange bevor in Deutschland immer lauter über ein Verbot für privates Böllern nachgedacht wird, hat Haar das Silvesterfeuerwerk zur Gemeindeaufgabe gemacht. Auf die Idee, ein öffentliches Feuerwerk zu veranstalten, kam der damalige Bürgermeister, Helmut Dworzak. Er wollte, dass die Gemeinde zum Jahrtausendwechsel etwas Besonderes veranstaltet. Man brauchte nur noch jemanden, der das Lichtspektakel umsetzt. Da kam Rudolf Künig ins Spiel. Er war damals als Gerätewart bei der Gemeinde angestellt. „Man kam auf mich zu und fragte mich, ob ich mir das zutraue“, sagt Künig.
Und das tat er. Etwa ein Jahr lang ging er mit Mitarbeitern einer Sontheimer Pyrotechnik-Firma auf Lehrgänge und schaute ihnen über die Schulter. Für eine komplette Pyrotechnikerausbildung reichte die kurze Zeit freilich nicht. Doch Künig war nun in der Lage, das vorher zusammengestellte Feuerwerk in die selbst gebauten Plastikrohrvorrichtungen zu füllen und mit Zündschnüren zu versehen.
Für die Farben und Formen der Himmelsbilder sorgen in China hergestellte, mehrere Kilo schwere Kugeln, auch Bomben genannt. Sie werden auf ein Bett aus Schwarzpulver gelegt und mit dessen Explosionsdruck in die Höhe katapultiert. In 200 bis 300 Metern explodieren die Bomben und erleuchten den Nachthimmel. „Die Kugeln sind mit Papier ummantelt und verbrennen rückstandslos im Vergleich zum privaten Feuerwerk“, erklärt Künig.
Das Gemeinde-Feuerwerk in Haar soll nicht nur die Bürger unterhalten: Unter dem Motto „Nicht selber böllern, sondern spenden“ sammelt die Gemeinde in den Wochen vor Silvester Geld für wohltätige Zwecke. Dabei kam im vergangenen Jahr ein Betrag von 5000 Euro zusammen, der über die Haarer Bürgerstiftung an Kirchen, Schulen oder an das Sozialamt gegeben wurde. „Bei dieser Aktion spenden Haarer Bürger für Haarer Bürger“, erklärt der Vorsitzende der Stiftung, Jürgen Partenheimer.
Der 81-Jährige ist selbst ein großer Fan des öffentlichen Feuerwerks und jedes Jahr auf dem Gelände des Sportparks Eglfing zu finden. „Man trifft immer wieder Bekannte und kann mit ihnen eine schöne Zeit verbringen“, sagt der pensionierte Bankdirektor. Für ihn ist der soziale Aspekt der Veranstaltung nicht zu vernachlässigen. „Vor allem Alleinstehende können hier Anschluss finden und gemeinsam feiern“, sagt Partenheimer.
Über die hohe Spendenbereitschaft ihrer Bürger freut sich auch die aktuelle Bürgermeisterin Gabriele Müller. „Leider haben die Zuschauerzahlen in den vergangenen Jahren ein wenig abgenommen“, beklagt Müller, dennoch hält sie am Feuerwerk fest. Wie viel es kostet, will sie nicht verraten, nur dass es sich um einen vierstelligen Betrag handelt. Zur einen Hälfte übernehmen den die Gemeindewerke, zur anderen Hälfte zahlen sie selbst und einige Gemeinderäte.
Auch wenn Rudolf Künig gerne mal wieder ein Silvester daheim bei seiner Frau verbringen würde, lässt er es sich nicht nehmen, so lange es noch geht, Teil der Haarer Feuerwerksshow zu sein. Und am nächsten Tag stößt er dann noch einmal ganz privat mit seiner Frau auf das neue Jahr an.