Einfach zum Knuddeln!

von Redaktion

INTERVIEW Professor Peter Falkai erklärt das Kindchenschema

Für viele Oberbayern war 2018 ein freudiges Jahr. Es gab Nachwuchs – der nicht nur die Eltern spielend um den kleinen Finger wickelt. Professor Peter Falkai, Direktor am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität, erklärt, warum Babys die meisten Menschen verzücken.

Warum finden wir Babys und Kleinkinder so süß?

Das hat mit dem Kindchenschema zu tun. Der Gesichtsschädel ist kleiner als der Kopfschädel und nach vorne geschoben und vermittelt dadurch den Eindruck der Hilflosigkeit. Konrad Lorenz hat das als Erster beschrieben und gesagt, dass es in der Tierwelt gewisse Merkmale gibt, die ein Brutpflegeverhalten auslösen. Beim Menschen gilt das genauso. Auf diese Weise sind diese kleinen Wesen geschützt, was gut so ist.

Es funktioniert also bei Mensch und Tier gleich?

Ja. Das sind eben Züge, die Brutpflege auslösen. Wenn sie Kinder und junge Erwachsene ansehen, verliert sich das. Die Proportionen verändern sich. Das ist bei Tier und Mensch ähnlich.

Was löst das Kindchenschema genau in uns aus?

Die Bereitschaft, sich auf das kleine Individuum einzulassen und störende Elemente, zum Beispiel Lärm, zu unterdrücken. Da spielt unter anderem das „Kuschelhormon“ Oxytocin eine Rolle. Aber es gibt auch andere Hormone, die den Menschen in eine positive Stimmung versetzen. Die werden in ausreichendem Maße ausgeschüttet und versetzen uns in einen positiven Gemütszustand gegenüber dem kleinen Wesen.

Funktioniert das Kindchenschema immer?

Es funktioniert nur so lange, bis andere Schemata dieses überlagern. Wenn Sie etwa selbst als Kleinkind schlecht behandelt wurden, sind Sie irritabler. Man ist dann leichter genervt. Das Kindchenschema wird zur Seite gefegt durch aggressive Impulse.

Was wäre, gäbe es das Kindchenschema nicht?

Dann würden viele kleine Menschen und Tiere nicht überleben. Im Tierreich wären sie willkommenes Futter, der Mensch würde sie oft als lästig empfinden. Ohne diese Schutzfunktion hätten wir weniger Nachwuchs.

Wann verliert sich das Kindchenschema?

So ab zehn Jahren verschwindet es. Dann verändern sich die Proportionen.

Viele Jugendliche haben damit Probleme . . .

Es gibt zum Beispiel Essstörungen, gerade bei Mädchen. Sie kommen mit den Veränderungen der weiblichen Proportionen nicht klar, wollen die Kontrolle über ihren Körper behalten und essen nichts mehr. Da können Eltern helfen, indem sie die Veränderungen erklären.

Geht der aktuelle Hype um den Mops auch auf das Kindchenschema zurück?

Ich denke schon. Wenn der mit seinen krummen Beinen und seinem Mopsgesicht daherkommt, sagt man: Ach, ist der süß! Den kann man aufheben und knuddeln. Entsprechend werden Tiere dann gezüchtet – beim Mops, der viele gesundheitliche Probleme hat, nicht zu seinem Vorteil.

Interview: Wolfgang Hauskrecht

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