Sanftere Worte statt Orbáns Zorn

von Redaktion

Bad Staffelstein – Der Ehrengast stieg aus dem Auto, drückte das Kreuz durch und schritt aufs Kloster zu. Viktor Orbán ignorierte die Trillerpfeifen der Gegendemonstranten, ihre Transparente, den symbolisch aufgespannten Stacheldraht. Zur Kenntnis nahm er Proteste und Polizeipräsenz schon. „Sie haben große öffentliche Aufmerksamkeit“, raunen ihm seine Gastgeber zufrieden zu.

Im Herbst 2015 war es, als die CSU mit der Einladung des ungarischen Regierungschefs nach Banz eine maximale Provokation wagte. In Europa war Orbán der mit Abstand härteste Gegner der deutschen Migrationspolitik. Den CSU-Landtagsabgeordneten schilderte er in drastischen Worten, was auf dem Kontinent falsch laufe. Den Andrang der Flüchtlinge verglich er mit einem „Wasserrohrbruch“, auf den Europa ängstlich mit einer „Entscheidungskrise“ reagiere. Kanzlerin Merkel warf er „moralischen Imperialismus“ vor.

An Orbáns Auftritt kann man sich diese Woche gern erinnern. Wieder kommt die CSU-Fraktion in Banz zusammen. Diesmal allerdings unter völlig anderen Vorzeichen und mit einem gegenläufigen Programm – klar proeuropäisch und konstruktiv ist das Konzept ausgerichtet, das die Fraktion von Montag bis Donnerstag beraten will. „Bayern ist ein offenes Land“, heißt es im Entwurf, der unserer Zeitung vorliegt. „Wir setzen uns für europäische Regelungen ein, die die Freizügigkeit und die Mobilität fördern.“

Man mag es einen neuen Kurs nennen oder eine Schwerpunktsetzung. Geschuldet ist es der Tatsache, dass mit Manfred Weber im Mai ein CSU-Vize als Spitzenkandidat antritt. Der „Bayer für Brüssel“ erbat sich nachdrücklich einen konstruktiven Kurs. Die in Teilen sehr Brüssel-skeptische Fraktion um den Vorsitzenden Thomas Kreuzer folgt.

Kritik formuliert sie vorsichtiger. Die Fachkräftemobilität in Europa sei „ein großer Gewinn“, steht im sechsseitigen Papier. „Zugleich gilt es, einen unangemessenen Zugang zu Sozialleistungssystemen zu verhindern und so Fehlanreize zu vermeiden.“ Die Abgeordneten verlangen ein europäisches Ein- und Ausreiseregister, harmonisierte Asylstandards und 10 000 zusätzliche Frontex-Grenzschützer. Bis 2025 sollen „europäische Streitkräfte“ aufgebaut werden. Generell fordert die Fraktion ein effizienteres, auf Kernaufgaben beschränktes Europa, ein Ende der Beitrittsgespräche mit der Türkei und enge, freundschaftliche Beziehungen zu den Briten nach einem Brexit.

„Niemand in unseren Reihen ist gegen Europa“, sagt Kreuzer, man wolle aber auch nichts glorifizieren. Die Gäste diesmal sind harmloser, unter anderem Weber und Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher. Mit Trillerpfeifen ist also eher nicht zu rechnen.  cd

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