Wohlfühlen statt Autofahren

von Redaktion

Das Auto der Zukunft ist Dienstleister, Unterhalter und mobiles Büro. Auf der Technikmesse CES (Consumer Electronics Show) in Las Vegas zeigten die Hersteller, an was die Branche gerade tüftelt. Vieles ist noch Vision, aber die CES gilt als Indikator dafür, was bald Realität werden könnte. Die Basis der meisten Entwicklungen: das autonome Fahren.

Gigantische Bildschirme

Der chinesische Elektroauto-Hersteller Byton hat den größten: Er ist 1,25 Meter breit und 25 Zentimeter hoch – und er geht wirklich in Serie. Damit bietet Byton, der von ehemaligen BMW-Managern um Carsten Breitfeld geführt wird, den größten Bildschirm, der jemals in ein Serienauto eingebaut wurde. Er ist nach innen gebogen, wirkt so dreidimensional, verläuft über die komplette Cockpit-Breite und wird mit Gesten gesteuert. Den Fahrer ordnet das System per Gesichtserkennung zu und individualisiert automatisch das Display. Von der Anordnung, von den Farben, von der Musik – ja sogar persönliche Fotos werden eingebettet.

Das Wellness-Auto

Unter diesem Motto haben die koreanischen Tüftler von Kia den Innenraum eines selbstfahrenden Autos neu erfunden. Das mit künstlicher Intelligenz operierende „Real-time Emotion Adaptive Driving System“ (R.E.A.D.) soll die Gefühle des Passagiers anhand des Gesichtsausdrucks erkennen und darauf reagieren. Lichtstimmung, Düfte im Auto, die richtige Musik – R.E.A.D. übernimmt. Über taktgesteuerte Vibrationen in den Sitzen soll man da alles auch noch spüren.

Das sprechende Auto

Das moderne Fahrzeug ist emanzipiert und spricht ein Wörtchen mit. Am weitesten ist das System von Mercedes, das MBUX. Der Bordcomputer akzeptiert nicht nur Befehle wie „Heizung aufdrehen“, sondern reagiert auf Bemerkungen wie „Mir ist zu kalt“. Man kann auch nach einem asiatischen Restaurant in der Nähe fragen, das kein Sushi bietet und für Kinder geeignet ist. Dabei lernt das System seinen Besitzer immer besser zu verstehen, selbst wenn er leichten Dialekt spricht.

Unsichtbares sichtbar

Im Auto die Sonne sehen, obwohl es regnet? Nissan hat dazu eine Software-Lösung. Sie heißt „Invisible to Visible-Technologie“ – was bedeutet, dass die japanischen Autobauer das Unsichtbare sichtbar machen wollen. Und zwar mit einem Datenmix aus der echten Welt, der mit Sensoren und Kameras erfasst wird, und Dateien aus der virtuellen Computer-Welt. Das Ergebnis ist ein künstlich erzeugtes Bild, das auf die Frontscheibe projiziert wird. Und so regnet es halt nicht mehr, man kann sogar um Häuserecken schauen. Warum das alles so sein soll beim Autofahren? Noch hat das System keine Marktreife erreicht.

Denkende Kreuzung

Viel reeler ist das, was der Automobilzulieferer Continental in Las Vegas präsentiert hat. Die mitdenkende Kreuzung gibt es bereits in Walnut Creek in Kalifornien. Sensoren erfassen alles, was an der Kreuzung passiert, und tauschen Informationen mit den Fahrzeugen aus. So kann das System zum Beispiel Autofahrer warnen, wenn Fußgänger bei Rot hinter einem Lastwagen queren. Es leuchtet tote Winkel aus, erkennt gefährliche Situationen beim Abbiegen, kann sogar den Verkehrsfluss regulieren, um die Emissionen durch Stop- and-go-Verkehr zu senken.

Motorrad ohne Fahrer

Eine der verrücktesten Ideen stammt aus dem Hause BMW. Der Autobauer ließ auf dem CES-Gelände eine R 1200 GS selbstständig fahren. Was sich absurd anhört, denn wer hat schon Spaß, wenn sein Motorrad ohne ihn unterwegs ist. Aber die Tests haben einen tieferen Sinn. Denn dadurch gewinnen die Ingenieure wertvolle Erkenntnisse über die ideale Fahrlinie, die beste Schräglage in den Kurven und den optimalen Bremszeitpunkt. Diese Informationen kann das Motorrad dann an den Biker aus Fleisch und Blut weitergeben – und ihn so zu einem besseren Fahrer machen.

SciFi am Rücksitz

Audi will die Passagiere auf dem Rücksitz in eine virtuelle Unterhaltungswelt eintauchen lassen, die sich auf der Wohnzimmercouch so nicht erleben lässt. Der Autobauer stellte eine Plattform vor, mit der Virtual-Reality-Filme, Videospiele und interaktive Inhalte realistisch erlebt werden können. Dabei wird die VR-Brille mit dem Fahrzeug gekoppelt, sodass die virtuellen Inhalte in Echtzeit an die Fahrbewegungen angepasst werden können. Fährt das Auto durch eine Rechtskurve, fliegt beispielsweise auch das Raumschiff in der virtuellen Welt nach rechts. Die Technologie soll auch anderen Automobilherstellern zur Verfügung gestellt werden.

Das kletternde Auto

Hyundai aus Südkorea zeigte sein Konzeptauto „Elevate“. Das Auto hat vier gelenkige Beine auf Rädern, mit denen es Treppen, Schutt und Geröll oder auch Mauern bis 1,5 Meter Höhe überwinden kann – während die Kabine stets waagerecht bleibt. So könnte „Elevate“ in Katastrophengebieten Leben retten. Auch mobil eingeschränkte Menschen sollen profitieren, indem sie zum Beispiel von der erhöhten Haustür mit dem Rollstuhl direkt in das Fahrzeug hineinfahren.

Das fahrerlose Shuttle

Die Zukunft gehört, so hatte es auf der CES den Anschein, dem Car- oder Ride-Sharing in öffentlichen Robo-Shuttles, wie sie vor allem die Zulieferer Continental, ZF und Bosch ins Rampenlicht rückten. Natürlich immer elektrisch angetrieben, kreuzen sie autonom durch die Städte, werden per App gerufen und planen ihre Routen automatisch so, dass möglichst viele Menschen auf möglichst kurzem Weg zu möglichst unterschiedlichen Zielen kommen.

RUDOLF BÖGEL & DPA

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