Für seine riesige Bevölkerung ist Tokio ein verkehrspolitisches Wunder. Trotz der rund 37 Millionen, die in der größten Metropolregion der Welt leben, bewegt sich das durchschnittliche Auto mit 18 Stundenkilometern durch den Straßenverkehr, viermal so schnell wie in Mexiko-Stadt und ähnlich wie in Berlin.
Auch Staus erlebt man erstaunlich wenig. Das dürfte daran liegen, dass die Mehrheit der Menschen für den Nahverkehr die Schienen nutzt. 60 Prozent der Fahrzeuge auf der Straße sind für den Gütertransport unterwegs. Das Bahnnetzwerk ist extrem dicht, die nächste Haltestelle nie mehr als einen Kilometer entfernt. Und selbst wenn die Bahnen in der Rushhour vor Passagieren fast überquellen, funktioniert der Verkehr jeden Morgen und jeden Abend. Die Tokioter haben sich an diese Unannehmlichkeiten gewöhnt. Es besteht auch ein Bewusstsein, die Straßen nicht überstrapazieren zu wollen.
Das war nicht immer so, auch Tokio erlag einst dem Verkehrskollaps. Nach Jahren des Wirtschaftswachstums und steigenden Autofahrerzahlen beschloss die Regierung zur Jahrtausendwende, Dieselfahrzeuge zu verbannen. Seither sind fast nur noch Hybridautos übrig – und die Straßen freier. Zugleich wurden alternative Verkehrsmittel gefördert. Parkplätze, die es an fast jeder dritten Straßenecke in Form kleinerer Areale gibt, sind fast immer gebührenpflichtig. Wer heute in Tokio lebt, braucht kein Auto. FELIX LILL