Computerspiele – die neue Trendsportart

von Redaktion

Die Turniere erreichen ein Massenpublikum, in der Szene herrscht Aufbruchstimmung: E-Sport ist die am stärksten wachsende Sportart – auch wenn er noch gar keine ist. Die Politik und der Deutsche Olympische Sportbund verweigern dem Sport am Computer bisher die Anerkennung. Der TSV 1865 Dachau hat dennoch eine eigene Abteilung gegründet.

VON KATJA BRENNER

Dachau – Sein Blick haftet am Bildschirm, sein Zeigefinger malträtiert die Maus. Unablässig. Johannes Blank muss gerade einen Drachen besiegen. Der 17-Jährige ist total fokussiert. Nur mit seinen Teamkollegen Robin, Richard, Marcus und Simon tauscht er Kommandos aus. Das E-Sport-Team trainiert gerade. Fünf Männer, fünf Computer.

Das Team hat sich für drei Tage in einem Vereinsraum des TSV 1865 Dachau verbunkert, um besser zu werden. Gespielt wird „League of Legends“, ein in der E-Sport-Szene weitverbreitetes Strategiespiel. „Beyond my screen“ nennen sich die 15 bis 18 Jahre alten Burschen, was bedeuten soll, dass sie auch abseits des Bildschirms Freunde sind. Außerdem klingt es cool und einen coolen Namen braucht man in der E-Sport-Szene.

Auf dem Spielfeld schlüpfen die Dachauer in Charaktere aus der Fantasiewelt. Ziel ist es, das Basislager der anderen Mannschaft zu erobern. Doch auf dem Weg lauern Drachen, Wölfe und Monster – und das andere Team. In der Realität tragen sie die roten Trikots des TSV 1865 Dachau.

Im Sommer hat der Verein seine E-Sport-Abteilung gegründet. E-Sport steht für den virtuellen sportlichen Wettkampf. Es geht nicht nur um sportnahe Spiele. Auch Shooter-Games wie Counter-Strike, also „Ballerspiele“, zählen zum E-Sport. Ein Faktum, das die Anerkennung als Sportart bisher verhindert.

Noch kann man in Oberbayern E-Sport kaum im Verein betreiben. Der TSV 1865 Dachau leistet Pionierarbeit. Zehn Mitglieder hat die Abteilung. Leiter Christian Boer trainiert eigentlich reale Jugendfußballer. Natürlich habe es Bedenken gegeben, ob man als Sportverein E-Sport anbieten soll. Aber Boer ist überzeugt: Über die Angliederung an Vereine könne man Bewusstsein dafür schaffen, dass nicht alle Computerspiele „Killerspiele“ seien, dass „Gamer“, wie sich die Spieler nennen, nicht zwangsläufig Tag und Nacht auf den Bildschirm starren und den Bezug zur Realität verlieren. „Andere Teams können bei uns gerne andocken“, sagt er.

E-Sport liegt im Trend. Turniere füllen große Hallen. Tausende jubeln den Pro-Gamern zu, also Spielern, die professionell unterwegs sind. 80 000 Fans kamen 2017 zum Finale von „League of Legends“ im Pekinger Olympiastadion. 40 Millionen sahen das Spektakel im Livestream. Auch die E-Sportler aus Dachau schauen den Profis begeistert zu. E-Sport finden sie viel spannender als Fußball. Und sie nehmen ihren Sport ernst. Spielanalysen und Taktikbesprechungen sind eine Selbstverständlichkeit. Nur einen Trainer gibt es nicht.

E-Sport hat seinen Ursprung in Südkorea. In fast allen Spielen sind koreanische Teams die besten. Die Profis haben Manager und Trainer – und leben oft in Wohngemeinschaften zusammen.

Auch die Dachauer wollen als Team wachsen. Wer mitmachen will, braucht nicht nur flinke Finger. „Wenn ich E-Sport mache, muss ich Disziplin haben und teamfähig sein“, sagt Johannes Blank. Es gehe um Verantwortung. Denn im Spiel muss man sich gegenseitig beschützen. Ein Mitspieler musste deshalb schon gehen. „Obwohl er als Einzelspieler sehr gut war“, sagt Johannes. „Das ist wie beim Fußball, wenn einer den Ball nicht abgeben will“, sagt Teampartner Simon.

Strukturell steckt die Szene noch in den Kinderschuhen. Manche Turniere werden von Verbänden, andere von Spieleherstellern ausgerichtet. Aktuell kämpft der eSport-Bund Deutschland um die Anerkennung als Sportart. Aber der Widerstand der Sport-Dachverbände ist groß.

Beim TSV 1865 Dachau müssen die E-Sportler derzeit noch ihre eigenen Computer mitbringen. Ginge es nach Boer, wäre der Raum mit sechs geeigneten PCs ausgestattet. Derzeit gibt es nur fünf gespendete Bildschirme. Doch davon lassen sich die Spieler nicht unterkriegen. Sie wollen eines Tages bei großen Turnieren mitmischen. Kürzlich kam eine Anfrage der Hochschule für angewandtes Management in Ismaning. Dort wird bereits der Studiengang E-Sport-Management angeboten. Und dort wollen sie im Februar ihr erstes Turnier bestreiten.

Bis dahin sind Johannes Blank und sein Team froh, beim TSV 1865 Dachau einen Trainingsort zu haben. Zwischen den Partien schnappen sie sich auch mal einen echten Ball. Zur Entspannung.

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