München – Siemens und Alstom dürfen ihre Bahntechnik nicht fusionieren. Die EU sieht bei einer solchen Firmenehe den Wettbewerb gefährdet. Ein Zusammenschluss hätte die beiden größten Anbieter für Signaltechnik und Züge in Europa vereint, begründete EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager das Veto. Die EU schließt bei dieser Betrachtung Monopolmärkte wie China aus.
Bei einer Firmenehe wäre in Europa ein alles dominierender Akteur geschaffen worden, was höhere Preise nach sich gezogen hätte, sagte Vestager. Eine Lösung dieses Problems hätten Siemens und Alstom nicht gefunden. Sie seien auch für sich allein Champions. Das Duo wollte das aber im globalen Maßstab werden. Daraus wird nun nichts. „Wir nehmen die Entscheidung zur Kenntnis, die einen Schlusspunkt hinter ein europäisches Leuchtturmprojekt setzt“, erklärte Siemens-Chef Joe Kaeser schmallippig. Das Nein aus Brüssel zeige, dass Europa eine Strukturreform benötige, um wirtschaftlich in der global vernetzten Welt der Zukunft bestehen zu können.
Sowohl Siemens als auch Alstom haben einen zweiten Anlauf für eine Fusion ausgeschlossen. Beide wollen auch nicht mit Bombardier als drittem großen Bahntechnikkonzern in der westlichen Hemisphäre zusammengehen.
Siemens und Alstom hatten bei ihrem seit 2017 betriebenen Plan, einen deutsch-französischen Airbus der Schiene mit rund 65 000 Beschäftigten und fast 16 Milliarden Euro Umsatz zu schmieden, mit der starken chinesischen Konkurrenz argumentiert. Denn im Reich der Mitte ist mit CRRC ein Bahntechnikriese entstanden, der es inzwischen auf doppelt so viel Umsatz bringt wie Siemens und Alstom zusammen.
Vestager konterte dieses Argument mit der Tatsache, dass CRRC in Europa bislang kaum als Anbieter in Erscheinung getreten ist. Siemens und Alstom sowie die Regierungen Deutschlands und Frankreichs betonen dagegen die Überkapazitäten von CRRC, die dazu führen würden, dass die Chinesen bald im großen Stil in EU-Märkte eindringen.
Unabhängige Experten halten das in naher Zukunft für unwahrscheinlich. Preislich dürften es Siemens und vor allem Alstom aber schwer haben, sich gegen CRRC zu behaupten. Die Chinesen gelten als staatsgelenkt – und subventioniert. In den USA, einem technologisch und bürokratisch weniger anspruchsvollen Bahntechnikmarkt, hat CRRC 2018 im Nahverkehr gegen europäische Konkurrenz alle Aufträge gewonnen. Gleiches ist in Russland und der Türkei geschehen. Die Deutsche Bahn hat vor Kurzem erstmals kleine Rangierloks bei CRRC bestellt, was kein großer Auftrag, aber ein weiterer Fingerzeig war.
In Bewegung gebracht hat die abgelehnte Firmenehe nun die politischen Diskussionen über eine Reform von EU-Fusionskontrolle und Wettbewerbsrecht, die auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier fordert. Die Regeln dafür wurden vor Jahrzehnten geschrieben, als China noch die Werkbank der Welt und ohne technologische Ambitionen war. Das hat sich gründlich geändert, wie das Beispiel Solartechnik zeigt. Dort haben chinesische Firmen europäische Konkurrenz auch mit massiver staatlicher Hilfe verdrängt
T. MAGENHEIM-HÖRMANN