Mittenwald – Johannes Hessler steht in einer Garage in Mittenwald, Kreis Garmisch-Partenkirchen, und schnitzt an seinem Lebenstraum. Er steht leicht gebeugt, hat den braunen Hut nach hinten geschoben. In der blauen Latzhose steckt ein Meterstab. Aus dem Holzblock vor ihm hat er bereits ein grobes Gesicht herausgearbeitet. In ein, zwei Abenden wird es fertig sein, geschliffen und bemalt, die Augen ausgeschnitten.
Dann wird ein Mittenwalder mit der Maske durch Straßen und Wirtshäuser ziehen. Es ist eine Maschkera-Larve (Bairisch für Maske), wie sie die Menschen hier zwischen dem Sonntag nach Heiligdreikönig und Faschingsdienstag tragen. Den Höhepunkt der Maschkera, den Umzug am unsinnigen Donnerstag vor den Faschingsferien, werden tausende Menschen sehen. Früher sollte der uralte Brauch den Winter vertreiben. „Heute ist es vor allem eine Gaudi“, sagt Hessler. Ihm gab diese Gaudi den Lebensweg vor.
Hessler – 24 Jahre – besitzt Seltenheitswert unter den Mittenwalder Larvenschnitzern. „Die anderen sind alle alt“, sagt er. Dass er die Tradition fortführt, liegt an seinem Vater. Von ihm lernte Hessler mit zehn Jahren das Maschkera-Schnitzen. Die frühe Übung zahlte sich aus. Mit 14 war Hessler der jüngste Schüler, den die Garmisch-Partenkirchner Bildhauer-Schule aufnahm. Projekte, für die seine Kollegen eine Woche brauchten, schaffte er an einem Tag – und langweilte sich. „Ich hatte keine Lust auf abstrakte Kunst“, sagt Hessler. Er wollte bodenständige Arbeit leisten – Jesus-Kreuze, feine Schnitzereien und eben Maschkera-Larven.
Diesen Traum verfolgt Hessler derzeit in der Garage des Elternhauses. Manchmal werkelt er hier bis um vier Uhr früh. Obwohl er am nächsten Morgen auf der Arbeit Fenster montieren muss. Denn vom Schnitzen alleine kann er nicht leben – zumindest noch nicht. „Mein Traum wäre, im Sommer auf die Alm vom Bruder zu gehen und nebenbei zu schnitzen“, sagt Hessler. „Und im Winter hier im Dorf schnitzen.“
Der Traum ist realistisch. Im 7500-Einwohner-Markt Mittenwald sind Larven begehrt: „Manche Spezialisten kaufen jedes Jahr eine“, sagt Hessler. „Es gibt Leute, die haben 30 Stück.“ Zwischen 300 und 1000 Euro kostet eine Maske, je nach Aufwand. Es gibt dunkle, strenge Larven und helle, freundliche. Hexenlarven und Larven ohne Kiefer, damit die Blasmusiker an die Mundstücke kommen. „Und hunderte andere, wenn man mal Schmarrn macht.“
Aufträge für acht Masken hat Hessler heuer noch. Für mehr fehlt ihm die Zeit. Er wird bald heiraten, renoviert gerade ein Haus. Dort wird es eine Werkstatt geben. Denn Hesslers Verlobte unterstützt seinen Traum vom Bildhauer „mehr als alle anderen“, sagt er. Aufträge hat er auch. „Es könnte sein, dass was draus wird.“ CHRISTIAN MASENGARB