Deutschland fliegt wieder in die Türkei

von Redaktion

58 Prozent mehr Buchungen für den Sommerurlaub – Erstklassiger Wechselkurs lockt Touristen an

München – Der Frühling kehrt zwar gerade erst zurück, aber der Deutsche denkt schon jetzt an den Sommer. Nach Angaben des Deutschen Reiseverbands (DRV) buchen die meisten Deutschen ihren Sommerurlaub in den ersten drei Monaten des Jahres. Es ist also Hauptbuchungszeit. Ein Überblick über sich abzeichnende Trends und das Reiseverhalten der Deutschen.

Türkei feiert ein Comeback

Der Erdogan-Effekt lässt weiter nach. Nach den drastischen Einbrüchen von 2016 und 2017 (3,6 Millionen deutsche Touristen) waren 2018 schon wieder 4,5 Millionen Deutsche vor allem in Antalya. Laut der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ist die Zahl der Buchungen für den Sommer 2019 um bisher 58 Prozent gestiegen. Das ist nicht nur das größte Wachstum aller deutschen Urlaubsziele, sondern könnte die Türkei über den Rekordwert von 2015 bringen mit 5,6 Millionen deutschen Touristen.

Das Comeback erklärt sich die GfK mit den perfekten Bedingungen: weitläufige Strände, 3000 Sonnenstunden, exzellente Hotels und ein „kaum zu toppendes Preis-Leistungsverhältnis“.

Zudem stimmt der Wechselkurs. Gab es vor drei Jahren noch drei türkische Lira für einen Euro, sind es derzeit schon sechs. Die türkische Inflation macht Urlaube in 5-Sterne-Hotels also auch für Familien finanzierbar. Im westlichen Mittelmeer muss man laut GfK für 5-Sterne-Hotels 50 Prozent mehr zahlen.

Griechenland mit kleiner Delle

Ein Leidtragender der türkischen Währungskrise ist Griechenland, das Marktanteile abgeben muss. Dennoch: Seit Jahren ist der griechische Tourismus im Aufwind. Auf den beliebten Inseln sind zahlreiche neue Hotels, Restaurants und Bars entstanden, die ordentliche Qualität abliefern. Deutsche Touristen haben 2018 rund 65 Prozent mehr Geld in Griechenland ausgegeben. Auch Kreuzfahrten boomen. Und dann die viele Sonne: Während der Sommersaison gibt es statistisch gesehen gerade mal vier Regentage. Trotz der aktuellen Türkei-Delle bleibt Griechenland laut der GfK weiterhin bedeutender als der ungeliebte Nachbar.

Spanien, die deutsche Liebe

Auch die Spanier müssen dem türkischen Aufwind Tribut zollen. Aber die Liebe der Deutschen ist dem Land weiter gewiss. Neben Briten und Franzosen sind Deutsche das touristische Hauptklientel.

Spanien hatte jahrelang steigende Touristenzahlen. 2017 war mit rund 82 Millionen Touristen ein Rekordjahr. Die Folge waren steigende Zimmerpreise, was der Türkei Auftrieb gegeben haben dürfte. Vergangenes Jahr ging der Tourismus erstmals wieder leicht zurück (81,2 Millionen). Für dieses Jahr zeichnet sich erneut ein Rückgang ab. Dennoch: Deutschland liebt Spanien.

Betrachtet man die vom DRV erstellte Liste der Top-10-Reiseziele der Deutschen bei den Sommerbuchungen 2019 (Grafik), ist diese ein wenig irreführend. Denn die Reisebranche unterteilt Spanien in die Balearen, die Kanaren und das Festland. Würde man alles zusammenzählen, wäre Spanien, wie in den Vorjahren, ganz oben auf dem Podest.

Trend zum östlichen Mittelmeer

Den Deutschen zieht es heuer ans östliche Mittelmeer. Nicht nur die Türkei gewinnt. Laut DRV sind die Buchungen für Ägypten zweistellig* im Plus, für Tunesien hoch einstellig. Der Zuwachs für Ägypten ist aber kein Boom. Die Buchungen waren wegen der politischen Lage zuvor regelrecht eingebrochen. Auch Bulgarien und Kroatien sind bei Deutschen beliebt. Liegt der Zuwachs im östlichen Mittelmeer insgesamt bei neun Prozent, verlieren die Reiseländer am westlichen Mittelmeer zweistellig.

USA, Mexiko, Kuba, Kenia – oder aufs Schiff

Fernreisen haben im Sommer eine deutlich geringere Bedeutung als im Winter. Aber wenn es den Deutschen über den großen Teich zieht, dann vor allem in die USA. Laut DRV legen die USA nach zwölf Prozent Verlust im Jahr 2018 wieder im einstelligen Bereich zu. Immer beliebter wird Kanada, das schon im Vorjahr stark zugelegt hatte.

In Mittel- und Südamerika ist Mexiko das meistbesuchte Land der Deutschen. Bei den Veranstalterreisen steht derzeit ein Umsatzplus von acht Prozent. In der Karibik ist Kuba bei deutschen Touristen wieder stärker gefragt und wächst nach zweistelligen Verlusten im Vorjahr im niedrigen zweistelligen Bereich. Afrika bleibt beliebt. Wachstumsmotor beim Tourismus ist derzeit Kenia mit einer laut DRV „guten zweistelligen“ Umsatzsteigerung.

Der Deutsche fährt auch gerne Schiff. Laut DRV entwickeln sich Kreuzfahrten unverändert gut. „Sie sind wie die Türkei einer der Wachstumstreiber im Markt“, stellt der Reiseverband fest.

Trotz Internet-Trend: Das Reisebüro lebt

Vom Flug bis zum Mietauto: Die Deutschen buchen laut Reiseverband zunehmend digital. Zwar steigen aufgrund der steigenden Reiselust auch die Umsätze der Reisebüros um fünf Prozent jedes Jahr, aber die Online-Kanäle wachsen schneller. Der Marktanteil der sogenannten Offline-Geschäfte schrumpft also.

Laut DRV wurden vergangenes Jahr bereits 43 Prozent des 67,9 Milliarden schweren Umsatzes über Online-Kanäle getätigt. Vor vier Jahren waren es erst 35 Prozent. Die übrigen 57 Prozent verteilen sich auf Offline-Kanäle – das sind Reisebüros, Callcenter sowie Buchungen direkt bei einem Reiseveranstalter oder bei Hotels und Fluggesellschaften. 2017 betrug der Anteil noch 60 Prozent.

Vor allem bei selbst organisierten Reisen hat das Internet das Reisebüro als Buchungsmedium überholt. Der Anteil liegt laut DRV bereits bei mehr als der Hälfte.

Bei den organisierten Reisen, also Pauschalreisen, hat das Reisebüro die Nase noch leicht vorne. 53 Prozent aller Buchungen liefen vergangenes Jahr über Reisebüros. Aber auch hier gewinnt die digitale Welt an Bedeutung.

Interessant: Der Reiseverband rät zur Buchung im Reisebüro. Das Reisebüro habe Zugriff auf alle Angebote. Der Kunde werde kompetent beraten und habe einen Ansprechpartner in allen Notlagen. „Reisebüros kosten den Kunden keinen Cent mehr“, betont DRV-Präsident Norbert Fiebig. Die Preise für Veranstalterreisen seien über alle Vertriebskanäle identisch.

Was die Deutschen für Urlaub ausgeben

Im vergangenen Jahr haben die Deutschen 67,9 Milliarden Euro (2017: 65 Mrd.) für Urlaub ausgegeben – Rekord. Zählt man die Ausgaben vor Ort dazu, haben sich die Bundesbürger ihre Reisen laut DRV 95,6 Milliarden Euro kosten lassen (siehe Grafik), fünf Prozent mehr als im Jahr 2017 – auch ein Rekord.

Mehr als 70 Millionen Reisen mit einer Mindestdauer von fünf Tagen haben die Deutschen vergangenes Jahr angetreten. Die Zahl der Reisenden lag bei 55 Millionen.

Die Welt reist nach Frankreich

Betrachtet man die Touristen aus aller Welt, verändert sich die Liste der beliebtesten Urlaubsländer. 2018 war Frankreich das meistbesuchte Land, gefolgt von Spanien, USA, China, Italien, Türkei, Mexiko, Deutschland, Thailand und Großbritannien.

WOLFGANG HAUSKRECHT

* Wo keine genauen Zahlen angegeben sind, liegen diese noch nicht vor.

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